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Kategorie: Lesen

Zuversicht

Angela hat zu einer Blogparade zum Thema Zuversicht aufgerufen. Ich gebe ehrlich zu, dass ich zuerst dachte – wo soll ich denn Zuversicht hernehmen in solchen Zeiten?

Ich weiß um – und verachte es ein bisschen, ich gebe es zu – den leichten Weg, den man jetzt einschlagen kann: Zynismus, Sarkasmus, Nihilismus. Im stillen Kämmerlein (und auf der Computertastatur) vor sich hin schimpfen, wie schlecht alles ist, zufrieden den Widerhall der Worte in den Echokammern der eigenen Bubble lauschen – aber nichts Relevantes tun.

Aber was kann ich dann tun? Wenig, bei der Weltpolitik wohl gar nichts. Ein bisschen Demokratiegruppe hier, ein bisschen Nettigkeit im persönlichen Umfeld da, ein bisschen Konsumverzicht, der Umwelt zuliebe. Und irgendwie versuchen, Mut und Zuversicht zu finden, denn ohne Mut geht das nicht.

Was mir dabei sehr hilft, ist das Vorbild großer Frauen. Ich lese gerade Die Feuer der Freiheit von Wolfgang Eilenberger über die Philosophinnen Hannah Arendt, Simone Weil, Simone de Beauvoir und Ayn Rand. Unabhängig von den sehr unterschiedlichen Ausgangslagen und Denkstilen eint diese Frauen (und viele weitere), dass sie an sich und ihre Ideen glaubten. Das eigene Denken, das produktive Schaffen und Schreiben war für sie das Wichtigste – unabhängig davon, wie gefährlich oder prekär ihr Leben gerade war.

Ob nun die Genannten oder andere große Denkerinnen, Schriftstellerinnen, Aktivistinnen – bei vielen dieser Frauen entdecke ich einen Lebensmut, der sie auch durch dunkle Zeiten trägt. Die Bereitschaft, das Leben anzunehmen mit allen Schmerzen, die es mit sich bringt, und dabei nicht die Freude an den schönen Dingen zu verlieren. Mich lehrt das auch: Die Bindung, das Verhaftetsein an Materielles, an das alltägliche Klein-Klein zu lockern, mich nicht mehr vom betäubendem Geschrei auf META irre machen zu lassen, und mich auf Wesentlicheres zu konzentrieren. Das ist auch – die Natur, der Frühling, der immer wieder kommt, der Mond, der immer wieder neu wird.

In einem Buch, das ich gerade lese, über Rosa Luxemburg, Hannah Arendt und Simone Weil, finde ich das wieder. Gestern bin ich auf ein Zitat gestoßen von Rosa Luxemburg, das sie aus einem ihrer letzten Gefängnisaufenthalte schrieb. Dieses Zitat hatte ich schon einmal als Teenagerin irgendwo entdeckt und mir abgeschrieben, weil es mich so bewegt hatte.

Ich zitiere:

Vom Fenster her zeichnet sich auf der Decke der Reflex der Laterne, die vor dem Gefängnis die ganze Nacht brennt. Von Zeit zu Zeit hört man nur ganz dumpf das ferne Rattern eines vorbeifahrenden Eisenbahnzuges oder ganz in der Nähe unter den Fenstern das Räuspern der Schildwache, die in ihren schweren Stiefeln ein paar Schritte langsam macht, um die steifen Beine zu bewegen. Der Sand knirscht so hoffnungslos unter diesen Schritten, daß die ganze Öde und Ausweglosigkeit des Daseins daraus klingt in die feuchte, dunkle Nacht. Da liege ich still allein, gewickelt in diese vielfachen schwarzen Tücher der Finsternis, Langeweile, Unfreiheit des Winters – und dabei klopft mein Herz von einer unbegreiflichen, unbekannten inneren Freude, wie wenn ich im strahlenden Sonnenschein über eine blühende Wiese gehen würde. Und ich lächle im Dunkeln dem Leben, wie wenn ich irgendein zauberhaftes Geheimnis wüßte, das alles Böse und Traurige Lügen straft und in lauter Helligkeit und Glück wandelt.
Und dabei suche ich selbst nach einem Grund zu dieser Freude, finde nichts und muß wieder lächeln über mich selbst. Ich glaube, das Geheimnis ist nichts anderes als das Leben selbst; die tiefe nächtliche Finsternis ist so schön und weich wie Sammet, wenn man nur richtig schaut. Und in dem Knirschen des feuchten Sandes unter den langsamen schweren Schritten der Schildwache singt auch ein kleines schönes Lied vom Leben – wenn man nur richtig zu hören weiß.“


Brief aus dem Gefängnis, An Sonia Liebknecht, Dezember 1917

Leseratte

Ich bin eine Leseratte – schon immer. Lesen zu lernen war mein erklärtes Hauptziel bei Schulbeginn, und schon bald habe ich mich lesend durch die Schulbücherei gefräst, später durch die des Gymnasiums und dann durch die Stadtbibliothek des nächsten Städtchens. Und ich lese immer noch durchschnittlich ein Buch in der Woche – mal mehr, wenn ich krank bin, Urlaub habe oder im Sommer, weil ich dann lieber abends draußen sitze als vor dem Fernseher, weniger im dunklen Winter, weil es dann meine sowieso schwachen Augen ziemlich anstrengt.
Ich lese ziemlich querbeet, was mir unter die Augen kommt. Da mein Mann und ich ein öffentliches Bücherregal betreuen, stoße ich oft zufällig auf Autor:innen. Gefällt mir jemand, bestelle ich mir – meist antiquarisch – gleich noch ein paar weitere Bücher von ihm oder ihr. Ich mag Romane, Biografien und Sachbücher, vor allem zu psychologischen, historischen und sozialwissenschaftlichen Themen. Krimis und Thriller lese ich seltener. Früher mochte ich Sci-Fi und Fantasy sehr, inzwischen nicht mehr so – wobei unsere Terry-Pratchett-Sammlung mir immer wieder gute Dienste leistet, wenn ich kränkelnd im Bett liege.
Meine Lieblingsautorin ist Margaret Atwood – schon seit meiner Jugend. Besonders liebe ich ihr Buch Katzenauge. Außerdem habe ich die meisten Romane von Murakami gelesen. Ansonsten ist mein Geschmack sehr weit gestreut.
In letzter Zeit habe ich Appetit auf Psychologie und Philosophie. Ich lese oft Bücher über die Acceptance-Commitment-Therapie, aus denen ich schon viel für mich mitnehmen konnte. Gerade bin ich – nach Zeit der Zauberer – bei Feuer der Freiheit von Wolfram Eilenberger. Es handelt sich dabei um Bücher über prägende Philosoph:innen einer Epoche des 20. Jahrhunderts. Im ersten Band ging es um Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger in den 1920er Jahren, im zweiten um Simone de Beauvoir, Simone Weil, Ayn Rand und Hannah Arendt von 1933 bis 1943.

Manchmal stehe ich vor unseren Bücherregalen, wie es vielleicht Weinliebhaber vor ihren flüssigen Schätzen tun, und denke: Immerhin ein Vorrat, falls die Zivilisation doch noch zusammenbricht.
(Ein Freund meinte mal: „Wenn die Zivilisation zusammenbricht, hast du andere Sorgen als Lesen.“ Ich weiß nicht, ob er recht hat.)

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