
Wer mich etwas näher kennt, weiß ja, dass ich schon ziemlich viele Bücher rund um die Themen psychologische Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung gelesen habe. Nicht unbedingt, weil ich als Erwachsene überdurchschnittlich viele psychische Probleme habe, sondern vor allem aus Interesse. Und ich bin auch relativ sicher, dass ich sowohl durch die Lektüre als auch durch gute Gespräche mit vielen verständigen Frauen und ein paar verständigen Männern (sorry, ist so) viel von dem gelernt habe, was andere in einer Therapie lernen.
Das Buch mit dem Untertitel „100 Psychotherapie-Tools für mehr Leichtigkeit im Alltag“ verspricht nun Tipps aus der Therapeut*innenkiste – kurz und knackig verpackt. Ich war da recht skeptisch, aber es ist doch gut gelungen. Bachim pflegt einen lockeren Stil und konzentriert sich auf die konkrete Anwendung bestimmter Werkzeuge aus dem psychologischen Werkzeugkoffer. Dabei stammen recht viele dieser Werkzeuge aus der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und auch aus der Acceptance-Commitment-Therapie (ACT) – aber nicht nur.
Viele der geschilderten Tipps und Tricks kenne ich, einige wende ich selbst immer wieder an. So ist das Kapitel über „Musturbation“ gut. Es macht einem klar, was es mit einem macht, wenn man sich sein Leben als eine Abfolge von Zwängen vorstellt („muss arbeiten, muss einkaufen, muss kochen, muss …“), statt als etwas, über das wir mehr oder weniger frei entscheiden können. Ich selbst frage mich oft: Muss ich etwas wirklich tun? Oder will ich es? Und denke an meine Mutter, die als ältere Frau gerne sagte: „Ich muss gar nichts außer sterben!“
Auch das Kapitel über Grübelzwang („nicht an rosa Elefanten denken!“), das vor allem auf ACT basiert, fand ich gut nachvollziehbar, ebenso jenes über Angst und wie man diese durch Exposition mildern kann. Manche Tipps sind einfach anzuwenden, wie zum Beispiel bei Stress gaaaanz langsam auszuatmen. Andere verlangen mehr Motivation, wie ein Glückstagebuch zu führen.
Ein bisschen unhandlich fand ich das letzte Kapitel über Probleme in Beziehungen. Da kamen auf gerade mal 19 Seiten Themen wie Bedürfnisbilanz, Schematherapie, der Kiesler-Kreis, die Transaktionsanalyse und das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) zur Sprache – die meisten davon recht anspruchsvolle und komplexe therapeutische Ansätze, die man eben nicht so einfach aus der Lameng selbst ausprobieren kann. Für mich, die all das zumindest oberflächlich kennt, eine gelungene kurze Zusammenfassung; für jemanden, der sich damit noch nicht beschäftigt hat, vielleicht eher verwirrend.
Natürlich kann das Buch keine Therapie ersetzen. Jemand, der psychisch schwer angeschlagen ist, wird sich kaum aufraffen können, das zu lesen, zu verstehen und anzuwenden, denn fehlende Einsicht ins eigene Fehlverhalten, wenig Selbstwirksamkeitsglaube, wenig Antrieb und wenig Mut zum Risiko kennzeichnen ja oft schwerere Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.
Aber für die Menschen, die ich als „Normalneurotiker“ bezeichne – und zu denen ich mich selbst zähle –, kann man durchaus das ein oder andere aufgreifen und ausprobieren und die eine oder andere Grundüberzeugung und Routine mal kritisch in Frage stellen.
Klingt gut – gibts bei uns in der Onleihe, werd ich gleich mal schauen, obs aktuell verfügbar ist 🙂