Ich liebe den Herbst, und ich habe mich schon sehr darauf gefreut, in den zwei Wochen Herbstferien diese schöne Jahreszeit zu genießen. Außerdem wollte ich Freunde treffen, viel wandern und mit dem besten Ehemann von allen Ausflüge machen und hier ein paar Dinge am Haus herumwurschteln, die anstehen. Aber ihr kennt das – es kommt erstens anders und zweitens, als man denkt…
Die Wochen davor waren für mich wirklich verhältnismäßig anstrengend – weniger wegen des (üblichen) Umfangs meiner beruflichen Arbeit, aber ich hatte eine unangenehme zahnmedizinische Sache zu erleiden, die wochenlang nachhallte. Dann musste ich noch andere medizinische Dinge abklären, was mich fürchterlich stresste und auch jetzt noch nicht zu 100 % erledigt ist. Und dann war da noch der Betonlaster, der mein Auto kaputtfuhr. Jetzt nerve ich in regelmäßigen Intervallen die gegnerische Versicherung, wie es weitergehen soll, bekomme aber nur „Ihr Fall wird bearbeitet“-Mails.
Dann war das Wetter in den ersten Ferientagen auch richtig scheußlich, und wir konnten einiges am Haus nicht angehen.
Und jetzt bin ich krank. Auf Halsweh folgte Schnupfen, und jetzt bin ich bei einem quälenden Husten angelangt. Corona ist es immerhin nicht laut Test. Der Freundin, die ich so gerne heute getroffen hätte, habe ich abgesagt; ich fühle mich weder fähig, nennenswert spazieren zu gehen, noch will ich sie indoor vollkeimen.
Ich bin ziemlich deprimiert, um ehrlich zu sein. Aber ich denke auch – wozu lese ich immer wieder Bücher über Acceptance und Commitment?
Ich muss es halt auch anwenden. Sprich: akzeptieren, dass es so ist und ich es gerade nicht ändern kann. Radikale Akzeptanz.
Und ich denke, vielleicht muss das jetzt auch mal sein – dass ich eine Woche oder so wirklich kaum etwas tue außer lesen, Tee trinken, ein bisschen Computer und Mini-Spaziergänge. Früher habe ich ganze Semesterferienmonate auf diese Weise rumgebracht, hüstel.
Zum Glück hatten wir am Samstag einen großen Korb voller Bücher in der nächsten Stabü mitgenommen. Gerade lese ich mit viel Vergnügen den Roman „Butter“ von Asako Yuzuki. Ich mag ja zeitgenössische japanische Literatur sehr – angefixt natürlich von Haruki Murakami, von dem ich irgendwann, ich glaube noch zu Studentenzeiten, „Die wilde Schafsjagd“ las.
Butter ist der erste Roman von Asako Yuzuki. Wie gesagt, ich bin noch nicht ganz durch, aber finde ihn sehr interessant. Ich habe das Gefühl, einen kleinen Einblick zu bekommen in den Alltag japanischer Frauen, die ja ihre eigenen und etwas anderen Kämpfe auszufechten haben als wir hierzulande, und das in einer nicht eben turbo-emanzipierten Gesellschaft.
So ist es für ein garstig hühnenhaftes Weib wie mich ( fast 1,80 und Kleidergröße 44/46 dort, wo Größen groß ausfallen) natürlich schon fast amüsant, wenn sich eine Frau mit 1,66 m als viel zu groß bezeichnet und als „fett“ gilt, wenn sie mehr als 50 Kilo wiegt. Aber die Schönheitsideale – klein und zerbrechlich zu sein – und der Druck, sich nicht gehen zu lassen, sind in der japanischen Gesellschaft, wie sie die Autorin darstellt, sehr stark.
Der Roman wird aus der Sicht einer jungen Reporterin namens Rika erzählt, die Interviews mit der inhaftierten Manako führt. Diese hat wohl in einer Art „schwarze Witwe“-Manier mehrere Männer unter die Erde gebracht. Diese erregt nicht zuletzt (bei misogynen Männern vor allem) Aufsehen, weil Manako furchtbar dick ist (70 Kilo!!!), sondern auch, weil sie sich leidenschaftlich und gleichzeitig fürsorglich gibt. Zentrales Element dabei sind ihre Kochkünste.
Manako beginnt, Rika zu manipulieren und dazu zu motivieren, mit Lust viel zu essen. Ich muss sagen: appetitliche Beschreibungen gelingen der Autorin gut! So bekomme ich, obwohl weitgehend vegan lebend, angesichts der Schilderungen des Essens darauf richtig Lust, unter anderem auf Butter. Butter, die auf Reis zerläuft…
Rika bewegt sich zwischen der Manipulation durch Manako und einem eigenen, selbstbestimmten Weg, bei dem sie nicht nur zunimmt, sondern auch sonst den Ansprüchen an eine pflegeleichte, gehorsame und liebe Frau nicht mehr genügen will. Aber auch von Manako entfremdet sich Rika, was diese nicht ungesühnt lässt…
Wie gesagt, ich bin noch nicht ganz fertig. Ach – was wäre die Welt ohne Bücher!
Heute changiert das Wetter kaum, es wechselt nur zwischen mäßigem, starkem, sehr starkem und extrem starkem Regen, und das alles bei kühlen 11 Grad. Meine Stimmung fühlt sich in letzter Zeit ähnlich an. Nein, keine privaten oder beruflichen Katastrophen, nur zu viele nervige Sachen vom kaputten Zahn bis zum kaputten Auto, und diese Wechseljahresgeschichte noch obendrauf. Manchmal möchte ich mich an solchen Tagen einfach mit einem Buch und einem großen Whiskey ins Bett verkrümeln. Denn ich habe zu nichts Lust – weder auf Arbeit (ich mache sie trotzdem), noch auf das Beantworten diverser Mails (trotzdem), noch so recht, diesen Blogbeitrag zu schreiben (trotzdem) oder auf Hausarbeit (trotz… na ja, ich habe zumindest die Spülmaschine aus- und eingeräumt).
Tropf, Tropf
Auf den täglichen Spaziergang hatte ich natürlich auch keine Lust, aber – siehe oben – ich machte ihn trotzdem. Und natürlich tat das gut, wie immer. Ein paar Begegnungen im Regen: ein junger Wandermensch, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, nickte mir zu; ein Reh bellte mich an, und ich schmunzelte über eine Dame, deren sehr kleiner Hund trotz Hundemantel missmutig über den Feldweg schlich, während Frauchen den Schirm über ihn hielt.
Zu schnelles Reh
Ich dachte über Nostalgie nach beim Spazieren. „Schlechte Laune früher war eher Liebeskummer und Weltschmerz, und sie schmeckte süßer“, dachte ich, muffelig durch kleine Bäche stapfend, die gestern noch Wege waren. „Ach“, dachte ich dann, „da ist sie ja, die Nostalgie.“ Irgendwo las ich kürzlich, wie gefährlich Nostalgie sein kann: Der verklärende „früher war alles besser“-Blick schürt reaktionäres Gedankengut und lähmt den Wunsch, die Zukunft zu gestalten. Ich denke da an diese unseligen Facebook-Memes (einer der 100.000 Gründe, dort nicht mehr aktiv zu sein), in denen Menschen mittleren Alters davon schwärmen, wie toll früher alles war, als Kinder noch rauchten und man Frauen ungefragt unters Röckchen langen konnte – oder so ähnlich.
Aber natürlich kenne ich auch meine private Nostalgie. Das fängt mit einer gewissen Schwäche für Retro und Vintage an (die 1970er sind sehr sichtbar in unserem Haus vertreten) und hört bei einer gewissen Skepsis gegenüber manchen modernen Dingen (Smartphones!) auf. Und natürlich gibt es auch Zeiten in meinem Leben, denen ich nachtrauern kann, als ich jünger und schöner und alles viel spannender war. Ich kann meine nostalgischen Bilder abrufen, und auf vielen sind Lagerfeuer, Freunde und Lachen. Gleichzeitig ist mir manche Nostalgie auch fremd: Ein Freund meinte kürzlich, er wäre gerne wieder Schüler. Ach nee, dachte ich, danke. Fremdbestimmt, den Launen mancher nicht so tollen Lehrer ausgeliefert, und der Liebeskummer damals hatte noch wirklich zu viel Biss, und überhaupt segelt es sich heute doch routinierter und vor allem selbstbestimmter durchs Leben.
Ein Lagerfeuer von 2001
Daher denke ich (und riet das auch dem Freund): Wenn man merkt, dass Nostalgie hochkommt – mal überlegen, welche Bedürfnisse dahinterstehen. Welche Dinge man vielleicht mit den Jahren ad acta gelegt hat, sie aber eigentlich noch braucht oder zumindest ersehnt. Die Freundschaft. Die Freiheit. Zum Beispiel. Ach, ich sollte wohl wirklich nächsten Sommer mal wieder mit Freunden an einem Lagerfeuer sitzen, auch wenn mir der Rücken heute schneller weh tut und ich weniger Bier vertrage…
Zwei sehr verschiedene Bücher für die Frau um die 50. Beide Bücher sind recht orangefarben, sonst sehr unterschiedlich.
Intro
Ich habe ja inzwischen ein gerütteltes Maß an Büchern über die Wechseljahre im weitesten Sinne gelesen, manches ältere Bücher, die vor Jahrzehnten eine Pionierleistung waren, und auch aktuellere Werke. Manche Bücher konzentrieren sich auf das medizinische Wissen, andere betonen mehr die Psychologie und wieder andere auch spirituelle Aspekte. Viel wiederholt sich, viel widerspricht sich. Gerade lese ich ein Buch, das in den letzten Jahren wohl zu den bekanntesten Bestsellern zum Thema gehört: Woman on Fire von Dr. Sheila de Liz. Und ich muss gestehen, ich war ein bisschen enttäuscht und tat mich schwer, über die Hälfte hinauszukommen, und habe so die zweite Hälfte nur noch durchgeblättert und überflogen.
It’s the estrogen, stupid!
Ja, sie schreibt flott, leicht und auch humorvoll (Östrogen, Progesteron und Testosteron als die drei Engel für Charlie), wertschätzend, tabufrei und als Fachfrau hat sie mit vielem sicher recht. Aber den Untertitel „Alles über die fabelhaften Wechseljahre“ fand ich darin nicht so recht wieder. Ja, sie greift auch Themen auf wie den Sex mit Ü50, der in anderen Büchern ein bisschen kurz kommt, und der Tipp, rechtzeitig mit östrogenhaltigen Salben im Vaginalbereich zu beginnen, klingt sinnvoll. Aber auch sonst scheint – wenn man ihr glaubt – in den Wechseljahren an einer Hormonersatztherapie (HET) mit bioidentischen Hormonen fast kein Weg vorbeizuführen, will man nicht als eine Art demente Dörrpflaume mit Glasknochenkrankheit enden. Was ist daran fabelhaft? Bestenfalls kann man genug Hormone einnehmen, dass sich wenig ändert. Schlimmstenfalls – siehe oben. Ich empfinde das als sehr defizitorientiert.
Und ich denke auch manchmal – man stelle sich vor, die für Eltern und Teenager so beschwerlichen Pubertätsjahre könnte man mit entsprechenden Hormonprodukten viel smoother und reibungsfreier gestalten… Wie fühlt sich der Gedanke an? „Aber die müssen doch rebellieren und sich wegstrampeln und mal richtig histrionisch sein“, denke ich. Aber wer sagt denn, dass wir Frauen in den Wechseljahren nicht auch mal rebellieren und strampeln und histrionisch sein müssen?
Mir ist natürlich bewusst, dass die Brustkrebs-Horrorstories aus den 20. Jhd sich noch auf ganz andere Arten von Hormontherapien bezogen. Dennoch raten auch heute noch viele Ärzte von Hormontherapie eher ab, wenn es in der Familie schon mal Brustkrebs gab (was bei mir der Fall ist), oder regen zumindest an, es sehr genau abzuwägen. Das gilt übrigens auch für Phytohormone wie jene aus Yams, Sibirischem Rhabarber, Rotklee oder was weiß ich. Die Aussagen schwanken zwischen „potentiell schädlich“, „keinerlei Wirkung“ und „eine Alternative zur HET bei leichteren Symptomen“. Da soll frau sich mal entscheiden, was sie mit leichten bis moderaten Beschwerden tun soll…
Ohne HET nur noch eine Ruine, dem Verfall preisgegeben?
It’s (only) the estrogen, stupid?
Was mich an dem Buch auch etwas enttäuschte, ist, dass jenseits von HET (und ein paar Tipps rund um Sex) relativ wenig Raum auf die generelle Lebensgestaltung gelegt wurde. Aus anderen Studien (wie gesagt, ich habe sehr viel gelesen, ob gedruckt oder online) wird zum Beispiel deutlich gemacht, welchen großen Einfluss auf eine gesunde Prä-, Peri- und Postmenopause die Klassiker des guten Lebens haben: gesunde Ernährung, viel Bewegung, genug Schlaf, nicht zu viel Stress, sinn- und bedeutungsvolles Tun, soziale Verbindungen. Ja, das wird auf ein paar Seiten erwähnt à la „natürlich Kraftsport, Ernährungsumstellung, genügend schlafen, selbst ich Powerfrau brauche jetzt mehr als 5 Stunden Schlaf!“. Ich finde mich da halt nicht so ganz wieder als Frau, die stolz drauf ist, wenn sie am Tag ein Stündchen spazieren geht und Nüsse nascht statt Chips und ansonsten verquollen durch den Tag torkelt, wenn sie keine 7 Stunden Schlaf hatte.
„Du kannst nicht immer 17 sein“ – Haha! Von wegen!
Ich selbst habe ja nun mit knapp 52 einige der Symptome, die man kennt, meist für kurze Zeit gehabt – Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Schlaflosigkeit vor allem, aber keine Hitzewallungen. Meine Psyche erinnert halt – leider? – zurzeit oft an die Pubertät und gibt mir davon eine 2.0-Version.
Ich rede ziemlich offen über die Wechseljahre, und das ist ja auch etwas, was unterschiedlich ankommt. Für manche Frauen, das merke ich, ist es eine Erleichterung, dass sie mal drüber reden können, vor allem für solche aus einem konservativen und beruflich männlich geprägten Umfeld. Anderswo las ich dagegen, es werde ja schon viel zu viel über das Thema geredet, Frauen da – schon wieder! – als defizitäre, schwache Geschöpfe dargestellt, die sich schonen müssen. Hm. Wie so oft ist es wohl ein Mittelweg zwischen Auf-sich-Achten und Sich-in-Zipperlein-reinsteigern…
Mal Sonne, mal Wolken – auch Ü50
Pflanzen und HET
Wie sieht denn da der richtige Weg durch diese Zeit aus? Ich kann nur sagen, wie er für mich aussieht. Ich nehme vor allem pflanzliche Mittel ein, die manches erleichtern sollen, vor allem Johanniskraut gegen depressive Verstimmungen und Melatonin-Depot-Kapseln und Baldrian für besseres Schlafen. Gerade versuche ich auf Anraten meiner Gynäkologin Phytoöstrogene, ob die etwas ändern, werde ich sehen. Bisher machen sie nur Magendrücken.
Ansonsten gönne ich mir schon seit Mitte 40, dass ich als Freiberuflerin nicht mehr Vollzeit arbeite, um mein Stresslevel zu senken.
Aber ich bin auch keine alleinerziehende Frau mit zwei pubertierenden Kindern, einer dementen Mutter und einem stressigen Vollzeitjob, der zu Stress kaum eine Alternative bleibt. Ich kann und ich darf diese Phase dafür nutzen, mal einen Schritt zurückzutreten, statt mit HET-Unterstützung einfach weiterpowern zu können, Alternative Burnout und Armut.
Veränderliches Wetter
Was darf sich ändern?
Eine liebe Freundin und zugleich Psychotherapeutin sagt oft den Satz: „Was darf sich beim Klienten ändern?“ Sprich: zu welchen Veränderungen jenseits von „meine Stimmung soll besser sein“ sind die Klient:innen in einer Psychotherapie bereit? Mir geht es da ähnlich zurzeit. Meine Lebensumstände sind so, wie ich sie haben will, von Partnerschaft über Geld und Hobbys bis Job. Und doch werde ich unaufhaltsam älter, und neben den Dingen, die ich irgendwann ändern muss, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, kommt ja das hinzu, was ich vielleicht doch mal ändern könnte. Kann ich es mir vorstellen, wieder mehr kreativ zu sein, noch ein Buch zu schreiben? Wäre es etwas für mich, zusätzlich zu meinem geschätzten Zeitungsjob mal eine HP-Psychotherapie- oder Coaching-Ausbildung zu machen? Wie finde ich wieder mehr Zugang zu meiner Spiritualität?
So fühle ich zurzeit eine starke Tendenz zur Innenschau. Ich will nicht mehr in den sozialen Medien mit Besserwissern jeder Couleur diskutieren, ich will mich nicht unnötig für andere aufreiben, ob nun beruflich oder privat. Ich sehe mich aktuell auf den Wogen, die – wie gesagt – an das Auf und Ab der Pubertät erinnern, und frage mich neugierig: Wo geht diese Fahrt hin? Was muss, was darf sich ändern? Ist es nicht richtig und gut, jetzt auch als gestandene Frau Ü50 ab und zu auf den Tisch zu hauen voller östrogenmangelnder Gereiztheit und zu sagen: „Ich mach das nicht mehr mit!“?
Herbst, Zeit der Reife
Embrace the juicy-crone year!
Jetzt jenseits von den rein gesundheitlichen Aspekten, die man auch auf ein paar Seiten ganz gut zusammengoogeln kann, fand ich das hilfreichste Buch über das Älterwerden als Frau eines zwischen Psychologie und Spiritualität und etwas Old-School-Feminismus, geschrieben von einer Jung’schen Tiefenpsychologin. Es heißt Feuerfrau und Löwenmutter. Göttinnen des Weiblichen und stammt von Jean Shinoda Bolen. Die Originalausgabe Goddesses in Older Women: Archetypes in Women over Fifty erschien 2002.
Bolen arbeitet mit Archetypen, und es gibt auch weitere Bücher von ihr zum Thema (am bekanntesten wohl Göttinnen in jeder Frau: Psychologie einer neuen Weiblichkeit). In dem Buch geht es darum, welche Archetypen für eine ältere Frau lebbar sind (wie die weise, unabhängige Hekate), welche Probleme die bringen können, die man vorher lebte („die verführerische Aphrodite“ ist Ü50 komplizierter als „Artemis allein im Wald“). Statt zu klagen, dass manches vorübergeht, rät sie: embrace the juicy-crone years.
Und das geht für mich ein Stückchen über das Thema östrogenmangelbedingte Scheidentrockenheit hinaus!
PS: Die Bilder stammen vom Spaziergang heute und sind frei assoziiert eingefügt, damit ihr, liebe Leser, nicht so vor der Bleiwüste zurückschreckt 😀
Es ist ja schon eines dieser psychologisch-spirituellen Klischees, dass man die kleinen Dinge wertschätzen muss, das kleine Glück. Aber eben jenes Klischee stimmt, wie so viele andere aus dem Bereich, einfach auch oft.
Ich bin ja zurzeit auf dieser Achterbahn namens Wechseljahre (oder sollte ich besser sagen: die Achterbahn namens Leben?), und mir ist von diesem Hin- und Hergeruckel, dem Auf und Ab, manchmal schon ganz schön blümerant. Gestern ging’s mal wieder huiiiihhh bergab, weil sich ein paar unschöne Dinge beim Zahnarzt zeigten, die mich noch einige Nerven und Schmerzen kosten werden. (Immerhin wurde ich für meine schön fleißig geputzten Zähne gelobt.)
Aber gleichzeitig war das wie ein dezenter Tritt in den Hintern. Zum einen, mich wirklich und vorrangig erst mal wieder um mich zu kümmern. Nein, nicht um X mit den vielen unlösbaren Problemen oder Y, der seinen Hintern nicht hochbekommt, um gesünder zu leben. Sondern um mich, die sich um die Xs und Ys ihrer Welt viel zu sehr den Kopf zerbricht – was niemandem etwas bringt, denen nicht und am wenigsten mir.
Und dann eben jene kleinen Dinge. Heute Vormittag habe ich bewusst einige davon genossen: Da war das genau richtige Lied, das das Autoradio von meinem übervollen USB-Stick auswählte. Da war der junge Mann an der Rezeption in der Bücherei mit dem W20 an einer Kette um den Hals, mit dem ich mich kurz und nett über P&P-RP unterhalten habe (wenn ihr nicht wisst, was das ist, seid ihr selbst schuld). Der Korb voller Literatur zu philosophischen, psychologischen und spirituellen Themen, den ich glücklich aus der Bücherei schleppte. Der schöne Spaziergang durch den Exotenwald, und die Krähen grüßten mich, und der Regen kam später als angesagt. Der ältere türkische Herr, der mich an der Kasse vorließ mit meinen drei Tüten Kürbiskernen (mein schlimmstes Suchtmittel). Die unglaublich wundervoll kitschige pseudo-griechische Vase, die am Straßenrand stand und von mir mitgenommen werden wollte.
Untertitel: Wahre Geschichten vom Weitermachen und Wachsen in schwierigen Zeiten
Nicht jedes Buch, das ich lese, findet seinen Weg hierher in den Blog. Dieses jedoch hat mich auf besondere Weise berührt. Es war ein Zufallsfund aus der Stadtbücherei.
Katharina Afflerbach, die nach einer Karriere in der Wirtschaft ins Coaching wechselte, erzählt von ihren persönlichen Erfahrungen mit Krisen, Verlusten und Neuanfängen und davon, wie sie daran gewachsen ist. Sie schreibt offen, verschweigt weder Umwege noch Fehler und zeigt so ein authentisches, ungeschöntes Bild ihres Weges.
Eingewoben in ihre eigenen Schilderungen sind die Geschichten von 17 weiteren Menschen, die ebenfalls mit dem Themen Weitermachen und Wachsen konfrontiert waren. Manche Erlebnisse sind vielen vertraut wie eine berufliche Neuorientierung, eine Trennung. Andere gehen tiefer unter die Haut: Flucht, lebensbedrohliche Krankheiten, Sucht. Besonders berührt hat mich die wertschätzende und nicht wertende Haltung, mit der Afflerbach diesen Menschen begegnet. Sie dankt ihnen ausdrücklich für das, was sie von ihnen lernen durfte, und lässt uns Leserinnen und Leser daran teilhaben.
Eines der zentralen Themen des Buches ist die Erkenntnis, dass das Leben nicht immer fair ist. Es hält Schmerz, Ungerechtigkeit und auch eigene Fehler bereit. Doch ebenso zeigt es, dass wir innere Ressourcen entwickeln können, um damit umzugehen – dass wir uns gegen Zumutungen von außen wehren, uns selbst verzeihen und Veränderungen anstoßen können.
Die Geschichten machen sichtbar, woher Menschen ihre Kraft ziehen: aus der Liebe zur Familie, aus der Natur, aus Spiritualität oder dem Glauben an Gott.
Mich hat das Buch bewegt. Manchmal habe ich mit feuchten Augen gelesen. Und es hat mich dazu gebracht, auf mein eigenes Leben zu schauen – eines ohne dramatische Katastrophen, aber wie wohl jedes Leben mit seinem Anteil an Herausforderungen, radikalen Wendepunkten und dunklen Tälern.
Rückblickend denke ich: Ja, ich habe Fehler gemacht, manches hat lange gedauert. Aber ich habe auch vieles richtig gemacht. Sonst wäre ich heute nicht so zufrieden mit mir und meinem Leben.
Wie will ich sein, wie will ich leben, wenn ich älter, wenn ich alt bin? Darüber denke ich mit Anfang 50 und mitten in den Wechseljahren hin und wieder nach. Vor kurzem las ich dazu einen Artikel in der Zeit, in dem die 53-jährige Autorin Simone Buchholz überlegte, wie sie später mal leben möchte – in der Stadt oder auf dem Land, hier oder im Ausland, allein, zu zweit oder doch eher in einer Senioren-WG? Auch in dem (lesenswerten) Buch von Miriam Stein: „Die gereizte Frau. Was unserer Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat“ geht es neben vielem anderen (dem Blut, der Wut, dem Bauchfett) darum, wie man sich in diesen Jahren neu justiert mit Blick auf das, was kommt.
Wie will, wie werde ich wohl mit Ende 60 oder 70 leben?
Auch wenn ich älter bin, will ich viel im schönen Odenwald wandern gehen, wenn ich kann.
Nun, höchstwahrscheinlich hier in der Region und bescheiden. Meine Rente ist kaum der Rede wert, dazu habe ich zu lange studiert, meine Mutter gepflegt und wenig verdient. Dass man als freie Lokaljournalistin keine Millionen scheffelt, ist wohl hinlänglich bekannt. So viel arbeiten, dass ich eine auskömmliche Rente bekäme, kann ich gar nicht mehr in diesem Leben.
Und das macht mir zumindest zurzeit auch kein bisschen Sorge. Zum einen neigt man in meiner Familie dazu, mit Anfang/Mitte 70 dement zu werden oder schon tot zu sein. Das strebe ich nicht an, aber ich weiß inzwischen, dass man sein Leben nicht völlig planen kann.
Dann ist es so, dass ich mir heute gut vorstellen kann, dass ich, sollte ich körperlich und geistig dazu in der Lage sein, auch mit 70 oder 75 Gemeindevertretersitzungen und Theaterstücke besuche und darüber schreibe. Warum nicht! Mir macht das ja Spaß. Vor kurzem sprachen der beste Ehemann von allen und ich darüber, ob wir zu arbeiten aufhören würden, wenn wir eine gute Sofortrente im Lotto gewinnen würden (wir spielen natürlich nicht). Wir waren uns einig – nein.
Seht, die Malven auf dem Felde… oder so.
Und wenn ich mit 70 oder 75 körperlich und geistig so kaputt bin, dass ich nichts mehr tun kann – spielt es dann eine Rolle, ob ich viel Geld habe? Ich nehme an, man wird mich in diesem Land schon nicht verhungern lassen, ebenso wenig, wenn ich mit 70 einfach keinen Bock mehr auf Arbeit habe. Viel brauche ich, brauchen wir nicht, wir haben uns einen gewissen bohemian-studentischen Lebensstil nie abgewöhnt, ihr wisst schon, Senfgläser als Trinkgläser, die Küche von 1970, mein Auto älter als Gott. Das ist alles verhältnismäßig billig. Ich kann mir gut vorstellen, im Alter noch bescheidener und in einer kleinen Wohnung zu leben statt im eigenen großen Haus, oder aber da mit mehr Menschen zu wohnen als jetzt.
Freizeitbeschäftigungen, die nichts oder wenig kosten, pflege ich ja jetzt schon – von Wandern über Lesen bis Heimatkunde erforschen. Ich scherze manchmal darüber, dass ich lauter Rentnerhobbys betreibe.
Rentnerhobby: Pilzesammeln
Und wie will ich sein, was für eine Frau wäre ich gerne mit 70? In dem oben erwähnten Artikel von Simone Buchholz schreibt diese: „Ich werde eine liebende, mächtige Hexe sein, nicht zu gefährlich, aber ein bisschen“ – und dann weiter, dass sie schick aussehen will und hohe Schuhe tragen möchte und viel Schmuck.
Letzteres werde ich nicht, ich liebe Wanderstiefel und Teva-Sandalen. Aber im ersten Teil finde ich mich wieder. Mein Markenzeichen, ziemlich viele wilde hennarote Haare, werde ich behalten. Ich werde, muskulös und mollig, mit geflickten Jeans und derben Wanderstiefeln durch die Wälder stampfen, am Arm einen Korb mit Pilzen, Beeren und Kräutern, die ich gerade gesammelt habe. Mein Gesicht wird braungebrannt und runzelig sein, wie ein freundlicher Apfel. Ich werde oft fremde Menschen anquatschen, mehr oder weniger weise Ratschläge geben, dubiose Kräutertinkturen verteilen und mich von niemandem einschüchtern lassen.
Man wird mich immer noch im Ort kennen, weil ich allerlei komische kulturelle und künstlerische Dinge tun und auf jeder Demo gegen dumme Menschen mitlaufen werde. Vielleicht werde ich in der Gemeindevertretung sitzen und alle nerven. Ich werde irgendwann angefangen haben, etwas verstörende und wirre Bücher zu veröffentlichen, die seltsamerweise einen gewissen Leserkreis finden. Und manche werden sagen, dass ich in Vollmondnächten mit anderen dicken alten Frauen nackt über die Wiesen tanze; aber das wird natürlich nur ein dummes Gerücht sein.
Ich beschäftige mich gerade wieder ein bisschen damit, wie der Umgang mit dem eigenen Körper sich auf die Psyche auswirkt, und lese dazu ein schönes Einstiegsbuch (Zuhause im eigenen Körper von Sabine Ecker). Irgendwie auch ein bisschen doof, ich weiß ja eigentlich alles, habe auch jahrelang Tai Chi und Yoga gemacht… aber dann schleicht sich doch wieder viel Wissen aus im Alltag. Nun denn, ab September werde ich mal wieder einen Yogakurs machen. Und bis dahin auch ein paar mehr Übungen aus dem Büchlein. Wobei ich auch sonst versuche, nett zu meinem Körper zu sein: gutes Essen, viel Bewegung, nicht zu viel Stress und genug Schlaf. Und atmen! Auch und gerade dann, wenn die Psyche mal etwas ruckelig unterwegs ist (Wechseljahre), ist die Konzentration auf solche Basics einfach zentral.
„Nett zu meinem Körper sein“ klingt natürlich etwas merkwürdig, da ich ja mein Körper bin, sozusagen die Hardware und Software in einem. Aber wenn man sich das Geistige und Körperliche schon getrennt vorstellt, wie es ja auch in unserer Kultur recht üblich ist, dann sollte man auch denken: Mein Körper ist nun mal meine Partnerin, solange ich lebe.
Wenn man seinen Körper dagegen die ganze Zeit kacke findet, weil er nicht schön oder stark genug ist, ihn mit Junkfood und Bewegungsunfähigkeit oder Suchtmitteln misshandelt, ihn stresst und quält – wieso sollte er dann nett zu einem sein und ständig glücklich machende Hormone ausschütten und gesund und schmerzfrei bleiben?
Manche haben schon eine echt toxische Beziehung mit sich selbst.
Ich habe mich in letzter Zeit manchmal gefragt, warum mir alles so anstrengend vorkommt. Ist es der Rest von einem Virus, der mich im Mai mit Fieber niedergestreckt hat? Oder – mal wieder – irgendeine neue Variante von Wechseljahresbeschwerden?
Auf jeden Fall konnte ich nur viel nicken, als ich hier etwas über die Probleme von Menschen las, sich zu entspannen. Normalerweise bin ich ja eher relaxt. Aber zurzeit fühle ich mich oft angespannt wie eine Bogensehne. (Angst vor dem Glücklichsein konnte ich dagegen bei mir nicht feststellen.)
Und bei Angelas Beitrag über Wut dachte ich auch: So richtig wütend bin ich schon lange nicht mehr. Hm. Wo geht das alles hin?
Am meisten zum Nachdenken gebracht hat mich ein Ausdruck in einem Blogartikel – den ich leider nicht wiederfinde. Darin fragt die Autorin, wann sie eigentlich zu einer wandelnden To-do-Liste geworden ist. Denn so fühlte ich mich in letzter Zeit oft – als ob ununterbrochen berufliche und private Tasks durch mein Hirn rattern.
Höchste Zeit, mal anzuhalten, den viel zu schweren Rucksack, den ich trage, abzusetzen und genauer hinzusehen, was ich da so alles mit mir rumschleppe. Fühlte sich an wie ein Sack voller mentaler Wackersteine.
Vage assoziiert – das Stennen Ross, ein Steinross bei Hemsbach. Von wegen Wackersteine.
Und was ich fand, ist, dass ich sehr viel Verantwortung trage – oder glaube, tragen zu müssen. Und das nicht nur für mich, mein Handeln und Tun, sondern auch für das Wohlergehen meiner Lieben, die Genesung meiner psychisch angeschlagenen Freunde, für Arbeiten im Job außerhalb meiner Zuständigkeit, Haus, Garten und alles drumherum, für das Gelingen von Gruppenaktivitäten, für das Klima und die Demokratie und die Menschheit – und sowieso für alles.
Puh. Kein Wunder, dass ich inzwischen schnell außer Puste komme und eine To-do-Liste so lang wird. Das meiste davon ist von mir entweder nicht beeinflussbar, geht mich nichts an oder kann auch delegiert und aufgeteilt werden. Wenn ich hier nicht alleine wohne, bin ich auch nicht alleine verantwortlich für Ordnung, Sauberkeit und einen vollen Kühlschrank, oder?
Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen – der Rucksack wurde sofort leichter. Jetzt struggle ich mich durch den Versuch, das Loslassen der unnötigen Verantwortungen umzusetzen.
Verantwortung.
Schon ein ständiger Begleiter von mir. So ein alter grauer Mann (Gauck?!) schrieb mal irgendwo, Verantwortung sei die Freiheit der Erwachsenen. Je länger ich über diesen nicht gerade vor Lebenslust strotzenden Satz nachdachte, desto richtiger finde ich ihn. Ich kann nur dann frei sein, wenn ich bereit bin, auch die Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen. „Tu, was du willst, und trage dann die Verantwortung“ ist daher auch so etwas wie ein Motto von mir. Manchmal mit dem Zusatz: „In Würde. Und bitte ohne allzu viel zu jammern.“
Meine Eltern waren der Meinung, dass ich als Kind möglichst früh möglichst selbstständig werden sollte. Da man in meiner Familie bevorzugt früh stirbt und sie schon älter waren, mag auch dieser Aspekt in dieses Denken hineingespielt haben. Aber auch das Gefühl der wackeligen Autonomie, die sie sich erarbeiten mussten als Menschen, die erst den Krieg und sein Ende miterlebten, dann das Ende der Naziherrschaft, den Anfang der DDR und deren despotische Auswüchse, die Flucht in den Westen. Den Kopf unten halten und tun, was alle tun – auch wenn es falsch ist –, das lag vor allem meinem Vater nicht. (Und meine Mutter machte eh meist, was sie wollte.)
Meine Eltern als junges Pärchen. Um 1950.
So fand ich mich als Kind immer hin- und hergerissen zwischen mehr Freiheit, als es die meisten Gleichaltrigen hatten, aber auch mehr Verantwortung. Ich konnte mit 9 oder 10 alleine nach Hause gehen, mir etwas kochen, Hausaufgaben machen, wann ich wollte, mich mit Freunden verabreden, wie es mir passte. Meine Eltern kontrollierten meine Hausaufgaben nicht. Sie erwarteten auch keine Supernoten – sehr wohl aber, dass ich die Verantwortung für mein Schülerdasein übernehme. Und das fand ich nicht leicht, denn in der Schule war mein Radius sehr viel eingeschränkter als daheim.
Einmal sprach ich mit einem Freund über Kindheit und Jugend. Er zeigte Sehnsucht nach dieser Zeit, als man „noch keine Verantwortung tragen musste“. Ich dagegen habe mich auch schon als Kind verantwortlich gefühlt – gleichzeitig aber auch unfrei. Ich musste in die Schule, da gab es keinen Ausweg ohne schlimmere Konsequenzen. Auch wenn die Anforderungen an mich mit den Jahren mehr werden – vor allem alles rund um Job und Finanzen und Behörden – fühle ich mich freier als zu Kinderzeiten. Ich kann und darf selbst über mich entscheiden.
Wie auch immer: Ich überlege jetzt, wie ich jene Verantwortung, die ich gar nicht übernehmen wollte und sollte, loslassen kann.
Die Selbstverantwortung will ich natürlich behalten. Das ist ein schönes Geschenk, das meine Eltern mir mitgegeben haben, das merke ich immer mehr. „Ich bin verantwortlich für mein Leben“ ist schon der erste große Schritt raus aus einer Neurose.
Ein, ja was, Hobby oder Spleen oder einfach nur großes Interesse von mir ist die Psychologie. Ich habe mich damit schon in der Jugend zu befassen begonnen, im Studium Psychologie als Nebenfach im Magisterstudium gewählt (mein Hauptfach war Politik). Ich hatte angesichts des Interesses natürlich auch erwogen, Psychotherapeutin zu werden, aber ich hatte schon im jungen Erwachsenenalter genug Erfahrungen mit den psychischen Problemen meiner Mitmenschen (und meinen erfolglosen Versuchen, da positiv zu intervenieren) gesammelt, um davon Abstand zu nehmen („Nicht auch noch als Arbeit“, dachte ich damals).
Was so zurzeit in meinem Psychologie-Regal herumsteht und -liegt.
Das hielt mich nicht davon ab, viele Bücher über Psychologie zu lesen. Ich habe das Gefühl, dass mir das dabei hilft, mich selbst und andere besser zu verstehen, und ich habe auch gelernt, Methoden anzuwenden, die mir und meinem sozialen Umfeld helfen, Stichwort – mal wieder – Acceptance- und Commitment-Therapie, mein Favorit. (Eine Therapie habe ich dagegen nie gemacht.) Früher las ich auch gerne Erfahrungsbericht oder Bücher aus dem Bereich Anti-Psychiatrie.
Ich las auch mit mal mehr, mal weniger Faszination einige Klassiker. Manche sind natürlich besser, manche schlechter gealtert, und bei einigen Dingen – Stichwort Männer- und Frauenrollen – muss man bei manchem alten Buch Abstriche machen.
Die Grundformen der Angst von Fritz Riemann kann ich dennoch uneingeschränkt empfehlen, Viktor Frankls „Trotzdem JA zum Leben sagen“ natürlich auch, von Alfred Adler habe ich vor vielen Jahren schon gerne „Menschenkenntnis“ und weiterer Werke gelesen. Auch moderne Klassiker habe ich mit Gewinn durchgearbeitet – Stefanie Stahls „Das Kind in dir muss Heimat finden“ beispielsweise und diverse ACT-Bücher, begonnen mit Russ Harris „Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei“. Und vergessen wir bitte nicht eines der besten, kurzweiligsten und kürzesten Bücher im Bereich Psychologie überhaupt: Paul Watzlawicks „Die Kunst des Unglücklichseins.“ (Das habe ich doppelt, wenn jemand möchte, verschicke ich es gerne.)
Vor einiger Weile hatte ich mich ein bisschen mit dem Thema Drama-Dreieck in der Transaktionsanalyse beschäftigt, ein Konzept, das ich wie so viele andere wirklich augenöffnend fand und das mir einige unproduktive, sich-im-Kreis-drehende Interaktionen treffend erklärte. Also holte ich mir auch „Spiele der Erwachsenen“ von Eric Berne, der als Begründer der Transaktionsanalyse gilt. Aber mit dem Buch wurde ich nicht warm.
Hilfreich finde ich das Bild der verschiedenen Ebenen – Erwachsenen-Ich, Eltern-Ich, Kind-Ich – auf denen kommuniziert wird und welche Auswirkungen es hat oder haben kann, wenn zwei Menschen sich eben nicht auf der Erwachsenen-Ebene austauschen, sondern von oben herab belehren (Eltern-Ich) oder sich verhalten wie ein bockiges Kind. Solche Interaktionen nennt Berne Spiele.
Die einzelnen Spiele, die den Großteil des Buches ausmachen, lassen mich dagegen eher ratlos zurück. Ja, klar kenne ich z.B. gut die fruchtlose Interaktion „Warum nicht – Ja, aber…“, sprich Menschen, die drängende Probleme äußern, aber auf jeden Lösungsvorschlag mit „Ja, aber“ reagieren, also erklären, wieso „das nicht geht“. (Ich versuche daher auch sehr, mit in solchen Konstellationen Vorschläge abzugewöhnen. Nicht leicht, ich gebe doch so gerne Ratschläge.) Was mich bei den Beschreibungen der Spiele stört, ist zum einen eine störende Antiquiertheit; das Buch ist 1964 das erste Mal aufgelegt worden, und manches, was da beschrieben wird – vor allem im Bereich Partnerschaft und Sexualität – ist, finde ich, aus einer heute unangenehm zu lesenden Macho-Perspektive verfasst (die Frauen, die erst locken und sich dann zieren oder den Mann mit ihrer Mischung aus Frigidität und Sexy-Sein ärgern wollen usw.). Aber auch generell lässt mich das schematische und abkürzungslastige Katalogisieren menschlichen Verhaltens etwas ratlos zurück. Was mich aber besonders störte, ist ein, wie ich fand, negativer und herablassender Blick auf Menschen und ihre (zugegebenermaßen ja oft nicht allzu produktiven) Interaktionen. Auch gerade bei denen, die eine schwache Position einnehmen, klingt eine Unerbittlichkeit durch, die ja hier und da angemessen sein mag, die ich mir aber von einem Psychotherapeuten, der mich behandelt, nicht gerade wünschen würde. Da ist zum Beispiel Riemann, obwohl das Buch auch schon alt ist, ganz anders; bei ihm wird deutlich, dass Charakterakzentuierungen im Kontinuum zwischen Durchschnitt und Störung durchaus Vorteile bringen und nicht nur defizitär zu sehen sind. Dazu kommt auch – was kann ich denn von Bernes Ansatz als Mensch mitnehmen? Gut, durchschauen, wenn ein solches Spiel einsetzt, und nicht mitspielen, weil es nur Kraft und Nerven kostet. Das kann ich aber auch ohne dreiunddrölzig Fallbeispiele schon gut mit dem Drama-Dreieck und der Unterscheidung Erwachsenen-Ich, Kinder-Ich und Eltern-Ich.
Wie seht ihr das, liebe Leser meines Blogs (ihr alle beide :-D)? Welche Psychologiebücher habt ihr ins Herz geschlossen, welche nicht?
Und Angela hatte dazu einen schönen Beitrag gepostet.
Die Idee ist, dass man sich vorstellt, man sei mit all seinem Wissen, seinen Fähigkeiten und Erfahrungen eine Bibliothek, in der sich auch andere Menschen informieren können.
Erst konnte ich der Idee für mich selbst nicht viel abgewinnen, dann beschäftigte sie mich doch immer wieder. Interessanter als das, was ich fachlich „drauf“ habe – sei es durch das Studium (Sozial- und Geisteswissenschaften) oder durch persönliche Interessen (Pflanzenheilkunde, Mythologie, Heimatgeschichte) – finde ich, was ich fürs Leben gelernt habe. Stichwort Persönlichkeitsentwicklung.
Ich werde die Aufgabenstellung mal etwas lockerer angehen als in der ursprünglichen Blogparade beschrieben und das Ganze wie Werbung für ein Buch bzw. eine Buchreihe aufziehen.
Natürlich ist alles daran, inklusive Rezensionen und Zitaten, völlig fiktiv.
Katjas Reihe zur Lebenskunde – jetzt auch als Taschenbücher im praktischen Schuber!
Von Achtsamkeit, Akzeptanz, Dankbarkeit und dem ganzen Rest.
In dieser einfachen kleinen Anleitung kann der Leser leicht nachvollziehen, wie man mit den Grundideen der Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) und anderer psychologischer und spiritueller Schulen sein Leben in die eigenen Hände nimmt. „Mit 30 herum fiel mir die Erkenntnis wie Schuppen von den Augen: Ich kann niemals kontrollieren, was ich denke und fühle, aber sehr wohl, was ich tue. Später entdeckte ich das in den Büchern über ACT wieder.“ – Katja
„Im Endeffekt eh alles vom alten Scheißstock geklaut“, Meister U. (+), aktuelle Inkarnation unbekannt
Mit Pareto zum Glück
„Das Pareto-Prinzip besagt, dass man in den meisten Fällen 80 Prozent eines Ergebnisses mit 20 Prozent der Leistung erreichen kann. Ich habe das Prinzip seit der Grundschule verinnerlicht. Ich war die klassische Zwei-komma-irgendwas-Schülerin“, so schreibt Katja im Vorwort des Buches. Es folgen 12 Kapitel zur Anwendung des Prinzips – nicht nur in Schule und Studium, sondern unter anderem auch im Bereich Hausarbeit, Gesundheit, Fitness und Normal-Sein.
„Sie nennt es Pareto-Prinzip, ich nenne es Faulheit.“ – Fritzchen M., Selfmade-Millionär
It’s good to be crazy – it keeps you from getting insane
„Für mich der Kern dieses Buches: Einem nicht unerheblicher Teil der Menschen geht es schlecht, weil die Leute extrem enge und unflexible Vorstellungen von Normalität haben und an daran fast zwangsläufig scheitern. Im Gegensatz dazu sind, wie Studien belegen, Exzentriker gesünder, glücklicher und leben länger. Daher gilt es, seine kleinen Marotten eher zu kultivieren als zu unterdrücken. Ein sympathischer Gedanke.“– Vivi W., berühmte reiche Punkerin (+)
„80 Prozent „normal“ zu sein ist völlig ausreichend für den Alltag. Siehe auch mein Buch Mit Pareto zum Glück.“ – Katja
Was wirklich wichtig ist
Dieses „Buch für Menschen über 40“ lädt dazu ein, in der Lebensmitte (oder auch später) immer wieder bewusst innezuhalten und sich zu fragen, was einem wichtig ist. Mit dem Wissen um die eigene Endlichkeit gilt es, Prioritäten zu setzen und vieles, was einem nicht mehr nützt oder gefällt, loszulassen. So behält man das Ruder des Lebens in der Hand. Man muss dem eigenen Kompass vertrauen und zu wagen, ihm zu folgen. Hierin steckt viel Verantwortung – und noch mehr Freiheit.
„Tu, was du willst – das sei das ganze Gesetz.“ – A.C., Bergsteiger (+) „Ich muss gar nichts – außer sterben.“ – Heta G., emanzipierte Mutti (+)
Nothing really matters
„Der Nachhall jenes Werkes, das da fragte, was wirklich wichtig sei, erscheint nun als Widerspruch und Vollendung zugleich. Denn wo der Mensch sich müht, sich zu bessern, sich zu verwirklichen, sich aufzurichten an seinem eigenen Ideal – da vergesse er nicht: Er ist Staub. Ein flimmernder Hauch auf einem umherwirbelnden Gesteinsklumpen, der seinerseits um ein sterbendes Licht kreist. Was folgt daraus? Du wirst die Welt nicht erlösen, du kleiner Narr. Keine Tat, kein Werk, kein Wille vermag das All zu beugen. Doch auch: Wenn du stolperst, wenn du fällst, wenn du fehlst – das große Ganze zuckt nicht einmal. Erhebe also deinen Blick! Schau zu den Sternen, jenen stummen Zeugen der Ewigkeit. Vielleicht – ja vielleicht – blickt irgendwann ein Gott zurück. “ – Friedrich N., ewiger Junggeselle (+)