Untertitel: Wahre Geschichten vom Weitermachen und Wachsen in schwierigen Zeiten
Nicht jedes Buch, das ich lese, findet seinen Weg hierher in den Blog. Dieses jedoch hat mich auf besondere Weise berührt. Es war ein Zufallsfund aus der Stadtbücherei.
Katharina Afflerbach, die nach einer Karriere in der Wirtschaft ins Coaching wechselte, erzählt von ihren persönlichen Erfahrungen mit Krisen, Verlusten und Neuanfängen und davon, wie sie daran gewachsen ist. Sie schreibt offen, verschweigt weder Umwege noch Fehler und zeigt so ein authentisches, ungeschöntes Bild ihres Weges.
Eingewoben in ihre eigenen Schilderungen sind die Geschichten von 17 weiteren Menschen, die ebenfalls mit dem Themen Weitermachen und Wachsen konfrontiert waren. Manche Erlebnisse sind vielen vertraut wie eine berufliche Neuorientierung, eine Trennung. Andere gehen tiefer unter die Haut: Flucht, lebensbedrohliche Krankheiten, Sucht. Besonders berührt hat mich die wertschätzende und nicht wertende Haltung, mit der Afflerbach diesen Menschen begegnet. Sie dankt ihnen ausdrücklich für das, was sie von ihnen lernen durfte, und lässt uns Leserinnen und Leser daran teilhaben.
Eines der zentralen Themen des Buches ist die Erkenntnis, dass das Leben nicht immer fair ist. Es hält Schmerz, Ungerechtigkeit und auch eigene Fehler bereit. Doch ebenso zeigt es, dass wir innere Ressourcen entwickeln können, um damit umzugehen – dass wir uns gegen Zumutungen von außen wehren, uns selbst verzeihen und Veränderungen anstoßen können.
Die Geschichten machen sichtbar, woher Menschen ihre Kraft ziehen: aus der Liebe zur Familie, aus der Natur, aus Spiritualität oder dem Glauben an Gott.
Mich hat das Buch bewegt. Manchmal habe ich mit feuchten Augen gelesen. Und es hat mich dazu gebracht, auf mein eigenes Leben zu schauen – eines ohne dramatische Katastrophen, aber wie wohl jedes Leben mit seinem Anteil an Herausforderungen, radikalen Wendepunkten und dunklen Tälern.
Rückblickend denke ich: Ja, ich habe Fehler gemacht, manches hat lange gedauert. Aber ich habe auch vieles richtig gemacht. Sonst wäre ich heute nicht so zufrieden mit mir und meinem Leben.
Wie will ich sein, wie will ich leben, wenn ich älter, wenn ich alt bin? Darüber denke ich mit Anfang 50 und mitten in den Wechseljahren hin und wieder nach. Vor kurzem las ich dazu einen Artikel in der Zeit, in dem die 53-jährige Autorin Simone Buchholz überlegte, wie sie später mal leben möchte – in der Stadt oder auf dem Land, hier oder im Ausland, allein, zu zweit oder doch eher in einer Senioren-WG? Auch in dem (lesenswerten) Buch von Miriam Stein: „Die gereizte Frau. Was unserer Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat“ geht es neben vielem anderen (dem Blut, der Wut, dem Bauchfett) darum, wie man sich in diesen Jahren neu justiert mit Blick auf das, was kommt.
Wie will, wie werde ich wohl mit Ende 60 oder 70 leben?
Auch wenn ich älter bin, will ich viel im schönen Odenwald wandern gehen, wenn ich kann.
Nun, höchstwahrscheinlich hier in der Region und bescheiden. Meine Rente ist kaum der Rede wert, dazu habe ich zu lange studiert, meine Mutter gepflegt und wenig verdient. Dass man als freie Lokaljournalistin keine Millionen scheffelt, ist wohl hinlänglich bekannt. So viel arbeiten, dass ich eine auskömmliche Rente bekäme, kann ich gar nicht mehr in diesem Leben.
Und das macht mir zumindest zurzeit auch kein bisschen Sorge. Zum einen neigt man in meiner Familie dazu, mit Anfang/Mitte 70 dement zu werden oder schon tot zu sein. Das strebe ich nicht an, aber ich weiß inzwischen, dass man sein Leben nicht völlig planen kann.
Dann ist es so, dass ich mir heute gut vorstellen kann, dass ich, sollte ich körperlich und geistig dazu in der Lage sein, auch mit 70 oder 75 Gemeindevertretersitzungen und Theaterstücke besuche und darüber schreibe. Warum nicht! Mir macht das ja Spaß. Vor kurzem sprachen der beste Ehemann von allen und ich darüber, ob wir zu arbeiten aufhören würden, wenn wir eine gute Sofortrente im Lotto gewinnen würden (wir spielen natürlich nicht). Wir waren uns einig – nein.
Seht, die Malven auf dem Felde… oder so.
Und wenn ich mit 70 oder 75 körperlich und geistig so kaputt bin, dass ich nichts mehr tun kann – spielt es dann eine Rolle, ob ich viel Geld habe? Ich nehme an, man wird mich in diesem Land schon nicht verhungern lassen, ebenso wenig, wenn ich mit 70 einfach keinen Bock mehr auf Arbeit habe. Viel brauche ich, brauchen wir nicht, wir haben uns einen gewissen bohemian-studentischen Lebensstil nie abgewöhnt, ihr wisst schon, Senfgläser als Trinkgläser, die Küche von 1970, mein Auto älter als Gott. Das ist alles verhältnismäßig billig. Ich kann mir gut vorstellen, im Alter noch bescheidener und in einer kleinen Wohnung zu leben statt im eigenen großen Haus, oder aber da mit mehr Menschen zu wohnen als jetzt.
Freizeitbeschäftigungen, die nichts oder wenig kosten, pflege ich ja jetzt schon – von Wandern über Lesen bis Heimatkunde erforschen. Ich scherze manchmal darüber, dass ich lauter Rentnerhobbys betreibe.
Rentnerhobby: Pilzesammeln
Und wie will ich sein, was für eine Frau wäre ich gerne mit 70? In dem oben erwähnten Artikel von Simone Buchholz schreibt diese: „Ich werde eine liebende, mächtige Hexe sein, nicht zu gefährlich, aber ein bisschen“ – und dann weiter, dass sie schick aussehen will und hohe Schuhe tragen möchte und viel Schmuck.
Letzteres werde ich nicht, ich liebe Wanderstiefel und Teva-Sandalen. Aber im ersten Teil finde ich mich wieder. Mein Markenzeichen, ziemlich viele wilde hennarote Haare, werde ich behalten. Ich werde, muskulös und mollig, mit geflickten Jeans und derben Wanderstiefeln durch die Wälder stampfen, am Arm einen Korb mit Pilzen, Beeren und Kräutern, die ich gerade gesammelt habe. Mein Gesicht wird braungebrannt und runzelig sein, wie ein freundlicher Apfel. Ich werde oft fremde Menschen anquatschen, mehr oder weniger weise Ratschläge geben, dubiose Kräutertinkturen verteilen und mich von niemandem einschüchtern lassen.
Man wird mich immer noch im Ort kennen, weil ich allerlei komische kulturelle und künstlerische Dinge tun und auf jeder Demo gegen dumme Menschen mitlaufen werde. Vielleicht werde ich in der Gemeindevertretung sitzen und alle nerven. Ich werde irgendwann angefangen haben, etwas verstörende und wirre Bücher zu veröffentlichen, die seltsamerweise einen gewissen Leserkreis finden. Und manche werden sagen, dass ich in Vollmondnächten mit anderen dicken alten Frauen nackt über die Wiesen tanze; aber das wird natürlich nur ein dummes Gerücht sein.
Eines der ersten heimatkundlichen Themen, das mich interessierte, waren Odenwälder Sagen und Mythen sowie die Orte, um die es dabei geht. Das Interesse begann schon in der Kindheit, konkreter wurde es dann in meinen Zwanzigern, also vor einem halben Leben.
Ein Ort, der sagenhaft und, wie ich finde, auch sagenhaft schön ist, ist der Lichtenklinger Hof.
Die Kapellenruine im lichten Klingen
Er ist am besten von den Wanderparkplätzen Hardberg (Wald-Michelbach, Ortsteil Siedelsbrunn, beim Kloster Buddhas Weg) oder dem Parkplatz Lichtenklingen (im nördlichen Eiterbachtal) erreichbar. Tafeln informieren dort über die Wanderwege, die zu der Kapellenruine führen. Der Wald dort ist schön, die Gegend als Ausflugsziel beliebt. Doch an Werktagen kann man trotzdem oft lange alleine unterwegs sein. Es gibt diverse Rundwanderwege, die man wählen kann.
Das Forsthaus
Der Lichtenklinger Hof hat drei Elemente: ein altes Forsthaus, das nicht mehr genutzt wird, eine Quelle, die als heilkräftig gilt, sowie die verfallene Kapellenruine „Sankt Maria im Lichtenklingen“. Das Gelände wird bis heute genutzt: Immer um Mariä Himmelfahrt herum gibt es (seit 1980 wieder) eine Prozession dorthin mit Kräuterweihe. Besondere Kräutersträuße, hier auch Kräuterbuschen oder Würzbüschel genannt (mit diversen Variationen der Schreibweise), spielen im Brauchtum immer noch eine Rolle. Aber dazu ein andermal mehr. Außerdem ist die Kapelle, weniger auch die Quelle, sichtbar Anlaufpunkt für Anbetung. Das erkennt man an dem bunten Sortiment von Dingen, die vor allem in der Kapelle abgelegt werden: Marienfiguren und -bilder, Kruzifixe, Kerzen, aber auch Blumen oder Opfergaben, die auf eine eher nicht-christliche Form der Anbetung schließen lasse
Die Kapelle wurde zum ersten Mal 1387 urkundlich erwähnt. In der Reformationszeit wurden die Gottesdienste eingestellt; das Kirchlein wurde 1563 vom calvinistischen Kurfürsten Friedrich III. zum Abbruch freigegeben. Um 1800 wurde eine der beiden Quellen in einem Brunnen gefasst, der bis heute Wasser liefert. Im 19. Jahrhundert ging das Gelände in staatlichen Besitz über; das Hofgut wurde zum Abbruch verkauft. Bis 1901 wurde noch das dortige Forsthaus genutzt. Um den Verfall aufzuhalten, wurde die Kapelle ab 1910 restauriert. Die Quelle und die Kapellenruine haben die Fantasie der Überwälder angeregt. So heißt es, dass die Quelle heilkräftig sei und schon zu vorchristlicher Zeit als heilig verehrt wurde. Zur tatsächlichen Heilwirkung ist zu sagen, dass das Wasser bei einer Untersuchung in den 1950er-Jahren erhöhte Magnesiumwerte aufwies, was medizinisch durchaus sinnvoll sein kann. Auf jeden Fall schmeckt das kalte Wasser vorzüglich; ich nehme immer gern einen Schluck dort.
Mit dem „uralten heidnischen Brauchtum“ ist es wie oft so eine Sache. Belegt wird das unter anderem mit dem Brunnenstock und seinen Symbolen: Blütenblätter, Rosetten und Pinienzapfen. Doch dieser Brunnenstock stammt nach meinen Informationen von etwa 1800. Da war das germanische Heidentum sogar im Überwald schon deutlich auf dem Rückzug, behaupte ich mal Sagenhaft ist auch die Kapelle: So heißt es, nachdem sie in der Reformationszeit dem Verfall überlassen worden war, hätten einige Männer aus Unter-Abtsteinach die Marienfigur mit dem Jesuskind mit sich genommen, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch auf geheimnisvolle Weise kehrte sie drei Mal in die alte Kapelle zurück. Erst der vierte Versuch, sie umzusiedeln, gelang. Es soll sich dabei um jene Figur handeln, die heute in der Unter-Abtsteinacher Kapelle steht. Außerdem weiß die Sage von einer geheimnisvollen weißen Frau und von einem verborgenen Schatz zu berichten.
Wenn man vom Lichtenklinger Hof Richtung Siedelsbrunn läuft, kommt man noch an der schönen Liebfrauenbuche vorbei. Wie die zu ihrem Namen kam, der auf Maria hindeutet, weiß ich aber nicht. Mehr Informationen vor allem zur Geschichte des Ortes findet man unter anderem in der Abtsteinacher 1000-Jahr-Chronik, die der Heimatforscher Dr. Peter W. Sattler herausgegeben hat.