Lesen, Wandern, Palavern

Kategorie: Wechseljahre

Wenn ich einmal alt bin

Wie will ich sein, wie will ich leben, wenn ich älter, wenn ich alt bin? Darüber denke ich mit Anfang 50 und mitten in den Wechseljahren hin und wieder nach.
Vor kurzem las ich dazu einen Artikel in der Zeit, in dem die 53-jährige Autorin Simone Buchholz überlegte, wie sie später mal leben möchte – in der Stadt oder auf dem Land, hier oder im Ausland, allein, zu zweit oder doch eher in einer Senioren-WG?
Auch in dem (lesenswerten) Buch von Miriam Stein: „Die gereizte Frau. Was unserer Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat“ geht es neben vielem anderen (dem Blut, der Wut, dem Bauchfett) darum, wie man sich in diesen Jahren neu justiert mit Blick auf das, was kommt.

Wie will, wie werde ich wohl mit Ende 60 oder 70 leben?

Auch wenn ich älter bin, will ich viel im schönen Odenwald wandern gehen, wenn ich kann.

Nun, höchstwahrscheinlich hier in der Region und bescheiden. Meine Rente ist kaum der Rede wert, dazu habe ich zu lange studiert, meine Mutter gepflegt und wenig verdient. Dass man als freie Lokaljournalistin keine Millionen scheffelt, ist wohl hinlänglich bekannt. So viel arbeiten, dass ich eine auskömmliche Rente bekäme, kann ich gar nicht mehr in diesem Leben.

Und das macht mir zumindest zurzeit auch kein bisschen Sorge. Zum einen neigt man in meiner Familie dazu, mit Anfang/Mitte 70 dement zu werden oder schon tot zu sein. Das strebe ich nicht an, aber ich weiß inzwischen, dass man sein Leben nicht völlig planen kann.

Dann ist es so, dass ich mir heute gut vorstellen kann, dass ich, sollte ich körperlich und geistig dazu in der Lage sein, auch mit 70 oder 75 Gemeindevertretersitzungen und Theaterstücke besuche und darüber schreibe. Warum nicht! Mir macht das ja Spaß. Vor kurzem sprachen der beste Ehemann von allen und ich darüber, ob wir zu arbeiten aufhören würden, wenn wir eine gute Sofortrente im Lotto gewinnen würden (wir spielen natürlich nicht). Wir waren uns einig – nein.

Seht, die Malven auf dem Felde… oder so.

Und wenn ich mit 70 oder 75 körperlich und geistig so kaputt bin, dass ich nichts mehr tun kann – spielt es dann eine Rolle, ob ich viel Geld habe? Ich nehme an, man wird mich in diesem Land schon nicht verhungern lassen, ebenso wenig, wenn ich mit 70 einfach keinen Bock mehr auf Arbeit habe. Viel brauche ich, brauchen wir nicht, wir haben uns einen gewissen bohemian-studentischen Lebensstil nie abgewöhnt, ihr wisst schon, Senfgläser als Trinkgläser, die Küche von 1970, mein Auto älter als Gott. Das ist alles verhältnismäßig billig. Ich kann mir gut vorstellen, im Alter noch bescheidener und in einer kleinen Wohnung zu leben statt im eigenen großen Haus, oder aber da mit mehr Menschen zu wohnen als jetzt.

Freizeitbeschäftigungen, die nichts oder wenig kosten, pflege ich ja jetzt schon – von Wandern über Lesen bis Heimatkunde erforschen. Ich scherze manchmal darüber, dass ich lauter Rentnerhobbys betreibe.

Rentnerhobby: Pilzesammeln


Und wie will ich sein, was für eine Frau wäre ich gerne mit 70? In dem oben erwähnten Artikel von Simone Buchholz schreibt diese: „Ich werde eine liebende, mächtige Hexe sein, nicht zu gefährlich, aber ein bisschen“ – und dann weiter, dass sie schick aussehen will und hohe Schuhe tragen möchte und viel Schmuck.

Letzteres werde ich nicht, ich liebe Wanderstiefel und Teva-Sandalen. Aber im ersten Teil finde ich mich wieder. Mein Markenzeichen, ziemlich viele wilde hennarote Haare, werde ich behalten. Ich werde, muskulös und mollig, mit geflickten Jeans und derben Wanderstiefeln durch die Wälder stampfen, am Arm einen Korb mit Pilzen, Beeren und Kräutern, die ich gerade gesammelt habe. Mein Gesicht wird braungebrannt und runzelig sein, wie ein freundlicher Apfel. Ich werde oft fremde Menschen anquatschen, mehr oder weniger weise Ratschläge geben, dubiose Kräutertinkturen verteilen und mich von niemandem einschüchtern lassen.

Man wird mich immer noch im Ort kennen, weil ich allerlei komische kulturelle und künstlerische Dinge tun und auf jeder Demo gegen dumme Menschen mitlaufen werde. Vielleicht werde ich in der Gemeindevertretung sitzen und alle nerven. Ich werde irgendwann angefangen haben, etwas verstörende und wirre Bücher zu veröffentlichen, die seltsamerweise einen gewissen Leserkreis finden. Und manche werden sagen, dass ich in Vollmondnächten mit anderen dicken alten Frauen nackt über die Wiesen tanze; aber das wird natürlich nur ein dummes Gerücht sein.

Nett zu sich sein

Ich beschäftige mich gerade wieder ein bisschen damit, wie der Umgang mit dem eigenen Körper sich auf die Psyche auswirkt, und lese dazu ein schönes Einstiegsbuch (Zuhause im eigenen Körper von Sabine Ecker). Irgendwie auch ein bisschen doof, ich weiß ja eigentlich alles, habe auch jahrelang Tai Chi und Yoga gemacht… aber dann schleicht sich doch wieder viel Wissen aus im Alltag.
Nun denn, ab September werde ich mal wieder einen Yogakurs machen. Und bis dahin auch ein paar mehr Übungen aus dem Büchlein. Wobei ich auch sonst versuche, nett zu meinem Körper zu sein: gutes Essen, viel Bewegung, nicht zu viel Stress und genug Schlaf. Und atmen!
Auch und gerade dann, wenn die Psyche mal etwas ruckelig unterwegs ist (Wechseljahre), ist die Konzentration auf solche Basics einfach zentral.

„Nett zu meinem Körper sein“ klingt natürlich etwas merkwürdig, da ich ja mein Körper bin, sozusagen die Hardware und Software in einem. Aber wenn man sich das Geistige und Körperliche schon getrennt vorstellt, wie es ja auch in unserer Kultur recht üblich ist, dann sollte man auch denken: Mein Körper ist nun mal meine Partnerin, solange ich lebe.

Wenn man seinen Körper dagegen die ganze Zeit kacke findet, weil er nicht schön oder stark genug ist, ihn mit Junkfood und Bewegungsunfähigkeit oder Suchtmitteln misshandelt, ihn stresst und quält – wieso sollte er dann nett zu einem sein und ständig glücklich machende Hormone ausschütten und gesund und schmerzfrei bleiben?

Manche haben schon eine echt toxische Beziehung mit sich selbst.

Frische

Kennt ihr noch die alte Gouda-Werbung mit Frau Antje? Sie erklärte ehedem dem tumben deutschen Zuschauer, dass es jungen, mittelalten und alten Gouda gibt. „Mittelalt, alt – ist der denn noch frisch?“, demonstriert die deutsche Kundin ihre Ahnungslosigkeit. Und bekommt dann erklärt, dass das natürlich so ist. Die Werbung endete mit dem augenzwinkernden Spruch: „Ob jung oder alt, frisch sind wir doch alle!“

(Komisch – wenn ich an den Spot denke, spielt Hape Kerkeling Frau Antje.)

So ähnlich geht es mir aber auch. Jung bin ich nicht, wohl eher mittelalt, aber ich fühle mich trotzdem noch frisch – frisch in den Wechseljahren. Das Thema beschäftigt mich seit ein paar Jahren, und ich finde es enorm spannend. Klar, da sind unangenehme Dinge dabei: Es zwackt hier, es zwackt da, es blutet, wann es will – oder auch nicht – und ab und zu rauscht die Laune in den Keller, dass einem ganz schwindelig wird. Hitzewallungen und Brain Fog hatte ich, toi toi toi, bisher nicht.

Zurzeit habe ich aber eine hormonell ruhigere Phase, in der ich auch die guten Seiten des Älterwerdens deutlich spüre: mehr Selbstbewusstsein, mehr Gleichgültigkeit gegenüber den Ansprüchen von außen. Was früher Autoritäten waren, vor denen ich schüchtern war, sind heute nur noch Jungs meines Alters in Anzügen. Und wenn sie mansplainen, hör ich gar nicht mehr zu. (Wenn Frauen gegenüber jungen Mädchen über die Periode schlaumeiern, wäre das dann mens-plaining? OK, vergesst es)

Um ein bisschen frisch im Kopf zu bleiben, lese ich wieder mehr intelligente Bücher. Demnächst will ich nach buchstäblich Jahren mal wieder in der nächsten Kleinstadtbücherei vorbeischauen und in Erfahrung bringen, ob man meinen Ausweis reaktivieren kann.

Für den Körper verzichte ich wie jedes Frühjahr eine Fastenzeit lang auf Alkohol und baue mehr frische Wildkräuter in meine Ernährung ein. Heute habe ich ein bisschen Bärlauch und junge Brennnesseln gefunden – meine beiden liebsten Wildkräuter (leicht zu sammeln, schmackhaft, kaum zu verwechseln).

Den Bärlauch wasche ich gründlich, schleudere ihn trocken (daher hat er auf dem Bild auch 1–2 Macken) und püriere ihn dann mit einer Prise Salz in Öl. Je nach Geschmack gebe ich noch etwas dazu, wie Hefeflocken, Sonnenblumenkerne, ein paar Chiliflocken … Das kann man dann pur aufs Brot essen und den Rest des Tages in eine glückliche grüne Stinkwolke gehüllt sein.

Wichtig: Bärlauch nicht oder nur ganz kurz erwärmen! Sonst verliert er seinen ganzen Geschmack. Und natürlich nur sammeln, wenn ihr euch hundertprozentig sicher seid, dass es Bärlauch ist und kein giftiger Doppelgänger.

Die Brennnesseln wasche ich ebenfalls gut und schleudere sie trocken. Danach werden sie in kochendem Wasser blanchiert. Anschließend kann man sie direkt essen oder wie Spinat verwenden – und sie pieksen auch nicht mehr im Mund.

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