Lesen, Wandern, Palavern

Kategorie: Wechseljahre

Wechseljahresliteratur

Zwei sehr verschiedene Bücher für die Frau um die 50. Beide Bücher sind recht orangefarben, sonst sehr unterschiedlich.

Intro

Ich habe ja inzwischen ein gerütteltes Maß an Büchern über die Wechseljahre im weitesten Sinne gelesen, manches ältere Bücher, die vor Jahrzehnten eine Pionierleistung waren, und auch aktuellere Werke. Manche Bücher konzentrieren sich auf das medizinische Wissen, andere betonen mehr die Psychologie und wieder andere auch spirituelle Aspekte. Viel wiederholt sich, viel widerspricht sich. Gerade lese ich ein Buch, das in den letzten Jahren wohl zu den bekanntesten Bestsellern zum Thema gehört: Woman on Fire von Dr. Sheila de Liz. Und ich muss gestehen, ich war ein bisschen enttäuscht und tat mich schwer, über die Hälfte hinauszukommen, und habe so die zweite Hälfte nur noch durchgeblättert und überflogen.

It’s the estrogen, stupid!

Ja, sie schreibt flott, leicht und auch humorvoll (Östrogen, Progesteron und Testosteron als die drei Engel für Charlie), wertschätzend, tabufrei und als Fachfrau hat sie mit vielem sicher recht. Aber den Untertitel „Alles über die fabelhaften Wechseljahre“ fand ich darin nicht so recht wieder. Ja, sie greift auch Themen auf wie den Sex mit Ü50, der in anderen Büchern ein bisschen kurz kommt, und der Tipp, rechtzeitig mit östrogenhaltigen Salben im Vaginalbereich zu beginnen, klingt sinnvoll. Aber auch sonst scheint – wenn man ihr glaubt – in den Wechseljahren an einer Hormonersatztherapie (HET) mit bioidentischen Hormonen fast kein Weg vorbeizuführen, will man nicht als eine Art demente Dörrpflaume mit Glasknochenkrankheit enden. Was ist daran fabelhaft? Bestenfalls kann man genug Hormone einnehmen, dass sich wenig ändert. Schlimmstenfalls – siehe oben. Ich empfinde das als sehr defizitorientiert.

Und ich denke auch manchmal – man stelle sich vor, die für Eltern und Teenager so beschwerlichen Pubertätsjahre könnte man mit entsprechenden Hormonprodukten viel smoother und reibungsfreier gestalten… Wie fühlt sich der Gedanke an? „Aber die müssen doch rebellieren und sich wegstrampeln und mal richtig histrionisch sein“, denke ich. Aber wer sagt denn, dass wir Frauen in den Wechseljahren nicht auch mal rebellieren und strampeln und histrionisch sein müssen?

Mir ist natürlich bewusst, dass die Brustkrebs-Horrorstories aus den 20. Jhd sich noch auf ganz andere Arten von Hormontherapien bezogen. Dennoch raten auch heute noch viele Ärzte von Hormontherapie eher ab, wenn es in der Familie schon mal Brustkrebs gab (was bei mir der Fall ist), oder regen zumindest an, es sehr genau abzuwägen. Das gilt übrigens auch für Phytohormone wie jene aus Yams, Sibirischem Rhabarber, Rotklee oder was weiß ich. Die Aussagen schwanken zwischen „potentiell schädlich“, „keinerlei Wirkung“ und „eine Alternative zur HET bei leichteren Symptomen“. Da soll frau sich mal entscheiden, was sie mit leichten bis moderaten Beschwerden tun soll…

Ohne HET nur noch eine Ruine, dem Verfall preisgegeben?

It’s (only) the estrogen, stupid?

Was mich an dem Buch auch etwas enttäuschte, ist, dass jenseits von HET (und ein paar Tipps rund um Sex) relativ wenig Raum auf die generelle Lebensgestaltung gelegt wurde. Aus anderen Studien (wie gesagt, ich habe sehr viel gelesen, ob gedruckt oder online) wird zum Beispiel deutlich gemacht, welchen großen Einfluss auf eine gesunde Prä-, Peri- und Postmenopause die Klassiker des guten Lebens haben: gesunde Ernährung, viel Bewegung, genug Schlaf, nicht zu viel Stress, sinn- und bedeutungsvolles Tun, soziale Verbindungen. Ja, das wird auf ein paar Seiten erwähnt à la „natürlich Kraftsport, Ernährungsumstellung, genügend schlafen, selbst ich Powerfrau brauche jetzt mehr als 5 Stunden Schlaf!“. Ich finde mich da halt nicht so ganz wieder als Frau, die stolz drauf ist, wenn sie am Tag ein Stündchen spazieren geht und Nüsse nascht statt Chips und ansonsten verquollen durch den Tag torkelt, wenn sie keine 7 Stunden Schlaf hatte.

Du kannst nicht immer 17 sein“ – Haha! Von wegen!

Ich selbst habe ja nun mit knapp 52 einige der Symptome, die man kennt, meist für kurze Zeit gehabt – Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Schlaflosigkeit vor allem, aber keine Hitzewallungen. Meine Psyche erinnert halt – leider? – zurzeit oft an die Pubertät und gibt mir davon eine 2.0-Version.

Ich rede ziemlich offen über die Wechseljahre, und das ist ja auch etwas, was unterschiedlich ankommt. Für manche Frauen, das merke ich, ist es eine Erleichterung, dass sie mal drüber reden können, vor allem für solche aus einem konservativen und beruflich männlich geprägten Umfeld. Anderswo las ich dagegen, es werde ja schon viel zu viel über das Thema geredet, Frauen da – schon wieder! – als defizitäre, schwache Geschöpfe dargestellt, die sich schonen müssen. Hm. Wie so oft ist es wohl ein Mittelweg zwischen Auf-sich-Achten und Sich-in-Zipperlein-reinsteigern…

Mal Sonne, mal Wolken – auch Ü50

Pflanzen und HET

Wie sieht denn da der richtige Weg durch diese Zeit aus? Ich kann nur sagen, wie er für mich aussieht. Ich nehme vor allem pflanzliche Mittel ein, die manches erleichtern sollen, vor allem Johanniskraut gegen depressive Verstimmungen und Melatonin-Depot-Kapseln und Baldrian für besseres Schlafen. Gerade versuche ich auf Anraten meiner Gynäkologin Phytoöstrogene, ob die etwas ändern, werde ich sehen. Bisher machen sie nur Magendrücken.

Ansonsten gönne ich mir schon seit Mitte 40, dass ich als Freiberuflerin nicht mehr Vollzeit arbeite, um mein Stresslevel zu senken.

Aber ich bin auch keine alleinerziehende Frau mit zwei pubertierenden Kindern, einer dementen Mutter und einem stressigen Vollzeitjob, der zu Stress kaum eine Alternative bleibt. Ich kann und ich darf diese Phase dafür nutzen, mal einen Schritt zurückzutreten, statt mit HET-Unterstützung einfach weiterpowern zu können, Alternative Burnout und Armut.

Veränderliches Wetter

Was darf sich ändern?

Eine liebe Freundin und zugleich Psychotherapeutin sagt oft den Satz: „Was darf sich beim Klienten ändern?“ Sprich: zu welchen Veränderungen jenseits von „meine Stimmung soll besser sein“ sind die Klient:innen in einer Psychotherapie bereit? Mir geht es da ähnlich zurzeit. Meine Lebensumstände sind so, wie ich sie haben will, von Partnerschaft über Geld und Hobbys bis Job. Und doch werde ich unaufhaltsam älter, und neben den Dingen, die ich irgendwann ändern muss, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, kommt ja das hinzu, was ich vielleicht doch mal ändern könnte. Kann ich es mir vorstellen, wieder mehr kreativ zu sein, noch ein Buch zu schreiben? Wäre es etwas für mich, zusätzlich zu meinem geschätzten Zeitungsjob mal eine HP-Psychotherapie- oder Coaching-Ausbildung zu machen? Wie finde ich wieder mehr Zugang zu meiner Spiritualität?

So fühle ich zurzeit eine starke Tendenz zur Innenschau. Ich will nicht mehr in den sozialen Medien mit Besserwissern jeder Couleur diskutieren, ich will mich nicht unnötig für andere aufreiben, ob nun beruflich oder privat. Ich sehe mich aktuell auf den Wogen, die – wie gesagt – an das Auf und Ab der Pubertät erinnern, und frage mich neugierig: Wo geht diese Fahrt hin? Was muss, was darf sich ändern? Ist es nicht richtig und gut, jetzt auch als gestandene Frau Ü50 ab und zu auf den Tisch zu hauen voller östrogenmangelnder Gereiztheit und zu sagen: „Ich mach das nicht mehr mit!“?

Herbst, Zeit der Reife

Embrace the juicy-crone year!

Jetzt jenseits von den rein gesundheitlichen Aspekten, die man auch auf ein paar Seiten ganz gut zusammengoogeln kann, fand ich das hilfreichste Buch über das Älterwerden als Frau eines zwischen Psychologie und Spiritualität und etwas Old-School-Feminismus, geschrieben von einer Jung’schen Tiefenpsychologin. Es heißt Feuerfrau und Löwenmutter. Göttinnen des Weiblichen und stammt von Jean Shinoda Bolen. Die Originalausgabe Goddesses in Older Women: Archetypes in Women over Fifty erschien 2002.

Bolen arbeitet mit Archetypen, und es gibt auch weitere Bücher von ihr zum Thema (am bekanntesten wohl Göttinnen in jeder Frau: Psychologie einer neuen Weiblichkeit). In dem Buch geht es darum, welche Archetypen für eine ältere Frau lebbar sind (wie die weise, unabhängige Hekate), welche Probleme die bringen können, die man vorher lebte („die verführerische Aphrodite“ ist Ü50 komplizierter als „Artemis allein im Wald“). Statt zu klagen, dass manches vorübergeht, rät sie: embrace the juicy-crone years.

Und das geht für mich ein Stückchen über das Thema östrogenmangelbedingte Scheidentrockenheit hinaus!

PS: Die Bilder stammen vom Spaziergang heute und sind frei assoziiert eingefügt, damit ihr, liebe Leser, nicht so vor der Bleiwüste zurückschreckt 😀

Die kleinen Dinge

Es ist ja schon eines dieser psychologisch-spirituellen Klischees, dass man die kleinen Dinge wertschätzen muss, das kleine Glück. Aber eben jenes Klischee stimmt, wie so viele andere aus dem Bereich, einfach auch oft.

Ich bin ja zurzeit auf dieser Achterbahn namens Wechseljahre (oder sollte ich besser sagen: die Achterbahn namens Leben?), und mir ist von diesem Hin- und Hergeruckel, dem Auf und Ab, manchmal schon ganz schön blümerant. Gestern ging’s mal wieder huiiiihhh bergab, weil sich ein paar unschöne Dinge beim Zahnarzt zeigten, die mich noch einige Nerven und Schmerzen kosten werden. (Immerhin wurde ich für meine schön fleißig geputzten Zähne gelobt.)

Aber gleichzeitig war das wie ein dezenter Tritt in den Hintern. Zum einen, mich wirklich und vorrangig erst mal wieder um mich zu kümmern. Nein, nicht um X mit den vielen unlösbaren Problemen oder Y, der seinen Hintern nicht hochbekommt, um gesünder zu leben. Sondern um mich, die sich um die Xs und Ys ihrer Welt viel zu sehr den Kopf zerbricht – was niemandem etwas bringt, denen nicht und am wenigsten mir.

Und dann eben jene kleinen Dinge. Heute Vormittag habe ich bewusst einige davon genossen: Da war das genau richtige Lied, das das Autoradio von meinem übervollen USB-Stick auswählte. Da war der junge Mann an der Rezeption in der Bücherei mit dem W20 an einer Kette um den Hals, mit dem ich mich kurz und nett über P&P-RP unterhalten habe (wenn ihr nicht wisst, was das ist, seid ihr selbst schuld). Der Korb voller Literatur zu philosophischen, psychologischen und spirituellen Themen, den ich glücklich aus der Bücherei schleppte. Der schöne Spaziergang durch den Exotenwald, und die Krähen grüßten mich, und der Regen kam später als angesagt. Der ältere türkische Herr, der mich an der Kasse vorließ mit meinen drei Tüten Kürbiskernen (mein schlimmstes Suchtmittel). Die unglaublich wundervoll kitschige pseudo-griechische Vase, die am Straßenrand stand und von mir mitgenommen werden wollte.

Solche kleinen Momente sind Gold wert.

Wenn ich einmal alt bin

Wie will ich sein, wie will ich leben, wenn ich älter, wenn ich alt bin? Darüber denke ich mit Anfang 50 und mitten in den Wechseljahren hin und wieder nach.
Vor kurzem las ich dazu einen Artikel in der Zeit, in dem die 53-jährige Autorin Simone Buchholz überlegte, wie sie später mal leben möchte – in der Stadt oder auf dem Land, hier oder im Ausland, allein, zu zweit oder doch eher in einer Senioren-WG?
Auch in dem (lesenswerten) Buch von Miriam Stein: „Die gereizte Frau. Was unserer Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat“ geht es neben vielem anderen (dem Blut, der Wut, dem Bauchfett) darum, wie man sich in diesen Jahren neu justiert mit Blick auf das, was kommt.

Wie will, wie werde ich wohl mit Ende 60 oder 70 leben?

Auch wenn ich älter bin, will ich viel im schönen Odenwald wandern gehen, wenn ich kann.

Nun, höchstwahrscheinlich hier in der Region und bescheiden. Meine Rente ist kaum der Rede wert, dazu habe ich zu lange studiert, meine Mutter gepflegt und wenig verdient. Dass man als freie Lokaljournalistin keine Millionen scheffelt, ist wohl hinlänglich bekannt. So viel arbeiten, dass ich eine auskömmliche Rente bekäme, kann ich gar nicht mehr in diesem Leben.

Und das macht mir zumindest zurzeit auch kein bisschen Sorge. Zum einen neigt man in meiner Familie dazu, mit Anfang/Mitte 70 dement zu werden oder schon tot zu sein. Das strebe ich nicht an, aber ich weiß inzwischen, dass man sein Leben nicht völlig planen kann.

Dann ist es so, dass ich mir heute gut vorstellen kann, dass ich, sollte ich körperlich und geistig dazu in der Lage sein, auch mit 70 oder 75 Gemeindevertretersitzungen und Theaterstücke besuche und darüber schreibe. Warum nicht! Mir macht das ja Spaß. Vor kurzem sprachen der beste Ehemann von allen und ich darüber, ob wir zu arbeiten aufhören würden, wenn wir eine gute Sofortrente im Lotto gewinnen würden (wir spielen natürlich nicht). Wir waren uns einig – nein.

Seht, die Malven auf dem Felde… oder so.

Und wenn ich mit 70 oder 75 körperlich und geistig so kaputt bin, dass ich nichts mehr tun kann – spielt es dann eine Rolle, ob ich viel Geld habe? Ich nehme an, man wird mich in diesem Land schon nicht verhungern lassen, ebenso wenig, wenn ich mit 70 einfach keinen Bock mehr auf Arbeit habe. Viel brauche ich, brauchen wir nicht, wir haben uns einen gewissen bohemian-studentischen Lebensstil nie abgewöhnt, ihr wisst schon, Senfgläser als Trinkgläser, die Küche von 1970, mein Auto älter als Gott. Das ist alles verhältnismäßig billig. Ich kann mir gut vorstellen, im Alter noch bescheidener und in einer kleinen Wohnung zu leben statt im eigenen großen Haus, oder aber da mit mehr Menschen zu wohnen als jetzt.

Freizeitbeschäftigungen, die nichts oder wenig kosten, pflege ich ja jetzt schon – von Wandern über Lesen bis Heimatkunde erforschen. Ich scherze manchmal darüber, dass ich lauter Rentnerhobbys betreibe.

Rentnerhobby: Pilzesammeln


Und wie will ich sein, was für eine Frau wäre ich gerne mit 70? In dem oben erwähnten Artikel von Simone Buchholz schreibt diese: „Ich werde eine liebende, mächtige Hexe sein, nicht zu gefährlich, aber ein bisschen“ – und dann weiter, dass sie schick aussehen will und hohe Schuhe tragen möchte und viel Schmuck.

Letzteres werde ich nicht, ich liebe Wanderstiefel und Teva-Sandalen. Aber im ersten Teil finde ich mich wieder. Mein Markenzeichen, ziemlich viele wilde hennarote Haare, werde ich behalten. Ich werde, muskulös und mollig, mit geflickten Jeans und derben Wanderstiefeln durch die Wälder stampfen, am Arm einen Korb mit Pilzen, Beeren und Kräutern, die ich gerade gesammelt habe. Mein Gesicht wird braungebrannt und runzelig sein, wie ein freundlicher Apfel. Ich werde oft fremde Menschen anquatschen, mehr oder weniger weise Ratschläge geben, dubiose Kräutertinkturen verteilen und mich von niemandem einschüchtern lassen.

Man wird mich immer noch im Ort kennen, weil ich allerlei komische kulturelle und künstlerische Dinge tun und auf jeder Demo gegen dumme Menschen mitlaufen werde. Vielleicht werde ich in der Gemeindevertretung sitzen und alle nerven. Ich werde irgendwann angefangen haben, etwas verstörende und wirre Bücher zu veröffentlichen, die seltsamerweise einen gewissen Leserkreis finden. Und manche werden sagen, dass ich in Vollmondnächten mit anderen dicken alten Frauen nackt über die Wiesen tanze; aber das wird natürlich nur ein dummes Gerücht sein.

Nett zu sich sein

Ich beschäftige mich gerade wieder ein bisschen damit, wie der Umgang mit dem eigenen Körper sich auf die Psyche auswirkt, und lese dazu ein schönes Einstiegsbuch (Zuhause im eigenen Körper von Sabine Ecker). Irgendwie auch ein bisschen doof, ich weiß ja eigentlich alles, habe auch jahrelang Tai Chi und Yoga gemacht… aber dann schleicht sich doch wieder viel Wissen aus im Alltag.
Nun denn, ab September werde ich mal wieder einen Yogakurs machen. Und bis dahin auch ein paar mehr Übungen aus dem Büchlein. Wobei ich auch sonst versuche, nett zu meinem Körper zu sein: gutes Essen, viel Bewegung, nicht zu viel Stress und genug Schlaf. Und atmen!
Auch und gerade dann, wenn die Psyche mal etwas ruckelig unterwegs ist (Wechseljahre), ist die Konzentration auf solche Basics einfach zentral.

„Nett zu meinem Körper sein“ klingt natürlich etwas merkwürdig, da ich ja mein Körper bin, sozusagen die Hardware und Software in einem. Aber wenn man sich das Geistige und Körperliche schon getrennt vorstellt, wie es ja auch in unserer Kultur recht üblich ist, dann sollte man auch denken: Mein Körper ist nun mal meine Partnerin, solange ich lebe.

Wenn man seinen Körper dagegen die ganze Zeit kacke findet, weil er nicht schön oder stark genug ist, ihn mit Junkfood und Bewegungsunfähigkeit oder Suchtmitteln misshandelt, ihn stresst und quält – wieso sollte er dann nett zu einem sein und ständig glücklich machende Hormone ausschütten und gesund und schmerzfrei bleiben?

Manche haben schon eine echt toxische Beziehung mit sich selbst.

Frische

Kennt ihr noch die alte Gouda-Werbung mit Frau Antje? Sie erklärte ehedem dem tumben deutschen Zuschauer, dass es jungen, mittelalten und alten Gouda gibt. „Mittelalt, alt – ist der denn noch frisch?“, demonstriert die deutsche Kundin ihre Ahnungslosigkeit. Und bekommt dann erklärt, dass das natürlich so ist. Die Werbung endete mit dem augenzwinkernden Spruch: „Ob jung oder alt, frisch sind wir doch alle!“

(Komisch – wenn ich an den Spot denke, spielt Hape Kerkeling Frau Antje.)

So ähnlich geht es mir aber auch. Jung bin ich nicht, wohl eher mittelalt, aber ich fühle mich trotzdem noch frisch – frisch in den Wechseljahren. Das Thema beschäftigt mich seit ein paar Jahren, und ich finde es enorm spannend. Klar, da sind unangenehme Dinge dabei: Es zwackt hier, es zwackt da, es blutet, wann es will – oder auch nicht – und ab und zu rauscht die Laune in den Keller, dass einem ganz schwindelig wird. Hitzewallungen und Brain Fog hatte ich, toi toi toi, bisher nicht.

Zurzeit habe ich aber eine hormonell ruhigere Phase, in der ich auch die guten Seiten des Älterwerdens deutlich spüre: mehr Selbstbewusstsein, mehr Gleichgültigkeit gegenüber den Ansprüchen von außen. Was früher Autoritäten waren, vor denen ich schüchtern war, sind heute nur noch Jungs meines Alters in Anzügen. Und wenn sie mansplainen, hör ich gar nicht mehr zu. (Wenn Frauen gegenüber jungen Mädchen über die Periode schlaumeiern, wäre das dann mens-plaining? OK, vergesst es)

Um ein bisschen frisch im Kopf zu bleiben, lese ich wieder mehr intelligente Bücher. Demnächst will ich nach buchstäblich Jahren mal wieder in der nächsten Kleinstadtbücherei vorbeischauen und in Erfahrung bringen, ob man meinen Ausweis reaktivieren kann.

Für den Körper verzichte ich wie jedes Frühjahr eine Fastenzeit lang auf Alkohol und baue mehr frische Wildkräuter in meine Ernährung ein. Heute habe ich ein bisschen Bärlauch und junge Brennnesseln gefunden – meine beiden liebsten Wildkräuter (leicht zu sammeln, schmackhaft, kaum zu verwechseln).

Den Bärlauch wasche ich gründlich, schleudere ihn trocken (daher hat er auf dem Bild auch 1–2 Macken) und püriere ihn dann mit einer Prise Salz in Öl. Je nach Geschmack gebe ich noch etwas dazu, wie Hefeflocken, Sonnenblumenkerne, ein paar Chiliflocken … Das kann man dann pur aufs Brot essen und den Rest des Tages in eine glückliche grüne Stinkwolke gehüllt sein.

Wichtig: Bärlauch nicht oder nur ganz kurz erwärmen! Sonst verliert er seinen ganzen Geschmack. Und natürlich nur sammeln, wenn ihr euch hundertprozentig sicher seid, dass es Bärlauch ist und kein giftiger Doppelgänger.

Die Brennnesseln wasche ich ebenfalls gut und schleudere sie trocken. Danach werden sie in kochendem Wasser blanchiert. Anschließend kann man sie direkt essen oder wie Spinat verwenden – und sie pieksen auch nicht mehr im Mund.

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