Lesen, Wandern, Palavern

4 x 13

Ich bin jetzt 4 mal 13 Jahre alt. Und auf einem langen Spaziergang an meinem Geburtstag hatte ich darüber nachgedacht, dass das – anders als irgendwelche 7- oder 10-Jahres-Rhythmen – für mich durchaus Altersstufen sind, in denen etwas passiert, sich etwas wandelt.

Mein 13. Geburtstag – was habe ich da wohl gemacht? Ich müsste in alte Tagebücher schauen. Auf jeden Fall war ich gerade dabei, mich von einem großen, dicken, nachdenklichen Mädchen in eine große, dicke, nachdenkliche Teenagerin zu verwandeln. Ich war haltlos romantisch und emotional dünnhäutig: Ich las Anne Franks Tagebuch und weinte, weil man sie umgebracht hatte, ich sah die Robin Hood-Serie der BBC und weinte, weil das alles so romantisch war, und ich schrieb frühreife schöne Gedichte über Liebe und den Herbst und weinte dabei bestimmt auch. Ich hatte in diesem Jahr meine Tage bekommen und erlebte auch sonst die Pubertät, was nicht dazu beitrug, dass ich mich in meinem Körper wohler fühlte. Ich bekam mit, wie Klassenkameradinnen das erste Mal herumknutschten und war mir sicher, dass mir das bestimmt niemals vergönnt sein würde, weil ich so dick war, und tat mir sehr leid.

Aber es begann sich dann bald etwas zu ändern: Ich schnitt die Zöpfe ab, wurde auf eine Abnehmkur geschickt und war mit 15 erschlankt, ich scharrte eine Clique um mich, färbte mir die Haare rot und beschloss mit 17 nach zwei fehlgeschlagenen Beziehungsversuchen, dass der intellektuelle Punker in meinem Jahrgang für mich der richtige Mann wäre.

Mein 26. Geburtstag – das war auch eine Zeit der großen Umbrüche. Ich hatte in dem Jahr mein Studium erfolgreich abgeschlossen und wusste noch nicht so recht, wohin, machte wenig später ein Praktikum für interne Kommunikation bei einem Automobilkonzern und kam mir dort immer unecht und verkleidet vor.


Ich und der intellektuelle Punker (ja, wir waren ein Paar geworden) zogen aus unserer schimmeligen Einzimmerwohnung in Leutershausen in eine nette 2,5-Zimmer-Wohnung in der Weinheimer Nordstadt. Ich begann, viel durch die Wälder zu spazieren und nahm etliche studentische Frustkilos ab. Neue Menschen traten damals in mein Leben, die für die Jahre danach sehr wichtig waren. Es waren chaotische Jahre, viel Schönes ist da passiert und viel Schreckliches. So starb recht plötzlich mein Vater, als ich 26 war.

Mein 39. Geburtstag fiel ebenfalls in eine Zeit des Neustarts. Die Jahre davor war die Pflege meiner demenzkranken Mutter zentral geworden, zu der ich und mein intellektueller Punker in mein Elternhaus gezogen waren. Beruflich war ich nicht so recht durchgestartet, hatte einiges probiert, aber nichts schien wirklich nachhaltig Freude zu bereiten, zu mir zu passen und Geld einzubringen. Durch die Pflege war ich zudem stark eingeschränkt in meinen Möglichkeiten.

Als dann meine Mutter so krank wurde, dass wir sie nicht mehr daheim betreuen konnten, brachte ich sie in ein Pflegeheim und suchte mir einen Job. Eine Bekannte hatte gemeint, eine der Regionalzeitungen hier suche freie Mitarbeiter. „Kann ich ja mal eine Weile machen“, dachte ich damals. Und wie ihr seht, dauert die Weile an.

Und nun, mit 52? Bin ich immer noch die Frau des intellektuellen Punkers, wohne immer noch im Haus meiner Mutter, die inzwischen verstorben ist, habe immer noch rote Haare und arbeite immer noch als freie Journalistin – aber nicht mehr so viel wie mit 39, als ich manchmal wochenlang keinen freien Tag hatte. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, auch wenn natürlich die ein oder andere Störung dazwischenfunkt, die ihr alle kennt: hier was am Zahn, da Stress mit der Versicherung, da zähe Differenzen mit anderen Menschen. Aber ich bin gesund (Klopf auf Holz), liebe meinen intellektuellen Punker, dessen Haarpracht wohl mittlerweile für einen Iro nicht mehr reichen würde, und fühle mich wohl bei meiner Arbeit, habe viele Kontakte und auch Freundschaften und stampfe jeden Tag durch den Wald und genieße die Natur. Gleichzeitig beutelten mich zuletzt die Wechseljahre. Langsam wird es besser, ich atme vorsichtig auf, komme wieder auf die Beine und laufe nicht mehr ununterbrochen im roten Akkubereich.

Wohin mich dieser neue 13er-Abschnitt wohl führt? Was wird bis 65 wichtiger werden (so ich so lange lebe), was unwichtiger? Ich bin gespannt.

3 Kommentare

  1. Susanne

    Schöner Rückblick und interessanter Ansatz, die 13 Jahre zu nehmen. Ich bin jetzt 65 und kann nur sagen, dass das Leben in den vergangenen Jahren immer besser und entspannter geworden ist. Also keine Angst vor dem nächsten Abschnitt.

    • Katja

      Hallo Susanne,

      Danke für deinen Kommentar! Ich finde ja prinzipiell auch, dass das Leben mit den Jahren eher immer leichter wird. Die Wechseljahre sind für mich aber gerade eine Zeit, in der ich noch mal durchgerüttelt werde und die Chance habe, zu rekapitulieren – was soll bleiben, was kann gehen? Meine Leitfrage ist – was ist mir wichtig?

      Liebe Grüße
      Katja

  2. Zauberweib

    Gute Gedanken… so ein 13er-Rückblick. Hab ich letztes Jahr verpasst 😉

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