Lesen, Wandern, Palavern

Autor: Katja (Seite 1 von 6)

4 x 13

Ich bin jetzt 4 mal 13 Jahre alt. Und auf einem langen Spaziergang an meinem Geburtstag hatte ich darüber nachgedacht, dass das – anders als irgendwelche 7- oder 10-Jahres-Rhythmen – für mich durchaus Altersstufen sind, in denen etwas passiert, sich etwas wandelt.

Mein 13. Geburtstag – was habe ich da wohl gemacht? Ich müsste in alte Tagebücher schauen. Auf jeden Fall war ich gerade dabei, mich von einem großen, dicken, nachdenklichen Mädchen in eine große, dicke, nachdenkliche Teenagerin zu verwandeln. Ich war haltlos romantisch und emotional dünnhäutig: Ich las Anne Franks Tagebuch und weinte, weil man sie umgebracht hatte, ich sah die Robin Hood-Serie der BBC und weinte, weil das alles so romantisch war, und ich schrieb frühreife schöne Gedichte über Liebe und den Herbst und weinte dabei bestimmt auch. Ich hatte in diesem Jahr meine Tage bekommen und erlebte auch sonst die Pubertät, was nicht dazu beitrug, dass ich mich in meinem Körper wohler fühlte. Ich bekam mit, wie Klassenkameradinnen das erste Mal herumknutschten und war mir sicher, dass mir das bestimmt niemals vergönnt sein würde, weil ich so dick war, und tat mir sehr leid.

Aber es begann sich dann bald etwas zu ändern: Ich schnitt die Zöpfe ab, wurde auf eine Abnehmkur geschickt und war mit 15 erschlankt, ich scharrte eine Clique um mich, färbte mir die Haare rot und beschloss mit 17 nach zwei fehlgeschlagenen Beziehungsversuchen, dass der intellektuelle Punker in meinem Jahrgang für mich der richtige Mann wäre.

Mein 26. Geburtstag – das war auch eine Zeit der großen Umbrüche. Ich hatte in dem Jahr mein Studium erfolgreich abgeschlossen und wusste noch nicht so recht, wohin, machte wenig später ein Praktikum für interne Kommunikation bei einem Automobilkonzern und kam mir dort immer unecht und verkleidet vor.


Ich und der intellektuelle Punker (ja, wir waren ein Paar geworden) zogen aus unserer schimmeligen Einzimmerwohnung in Leutershausen in eine nette 2,5-Zimmer-Wohnung in der Weinheimer Nordstadt. Ich begann, viel durch die Wälder zu spazieren und nahm etliche studentische Frustkilos ab. Neue Menschen traten damals in mein Leben, die für die Jahre danach sehr wichtig waren. Es waren chaotische Jahre, viel Schönes ist da passiert und viel Schreckliches. So starb recht plötzlich mein Vater, als ich 26 war.

Mein 39. Geburtstag fiel ebenfalls in eine Zeit des Neustarts. Die Jahre davor war die Pflege meiner demenzkranken Mutter zentral geworden, zu der ich und mein intellektueller Punker in mein Elternhaus gezogen waren. Beruflich war ich nicht so recht durchgestartet, hatte einiges probiert, aber nichts schien wirklich nachhaltig Freude zu bereiten, zu mir zu passen und Geld einzubringen. Durch die Pflege war ich zudem stark eingeschränkt in meinen Möglichkeiten.

Als dann meine Mutter so krank wurde, dass wir sie nicht mehr daheim betreuen konnten, brachte ich sie in ein Pflegeheim und suchte mir einen Job. Eine Bekannte hatte gemeint, eine der Regionalzeitungen hier suche freie Mitarbeiter. „Kann ich ja mal eine Weile machen“, dachte ich damals. Und wie ihr seht, dauert die Weile an.

Und nun, mit 52? Bin ich immer noch die Frau des intellektuellen Punkers, wohne immer noch im Haus meiner Mutter, die inzwischen verstorben ist, habe immer noch rote Haare und arbeite immer noch als freie Journalistin – aber nicht mehr so viel wie mit 39, als ich manchmal wochenlang keinen freien Tag hatte. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, auch wenn natürlich die ein oder andere Störung dazwischenfunkt, die ihr alle kennt: hier was am Zahn, da Stress mit der Versicherung, da zähe Differenzen mit anderen Menschen. Aber ich bin gesund (Klopf auf Holz), liebe meinen intellektuellen Punker, dessen Haarpracht wohl mittlerweile für einen Iro nicht mehr reichen würde, und fühle mich wohl bei meiner Arbeit, habe viele Kontakte und auch Freundschaften und stampfe jeden Tag durch den Wald und genieße die Natur. Gleichzeitig beutelten mich zuletzt die Wechseljahre. Langsam wird es besser, ich atme vorsichtig auf, komme wieder auf die Beine und laufe nicht mehr ununterbrochen im roten Akkubereich.

Wohin mich dieser neue 13er-Abschnitt wohl führt? Was wird bis 65 wichtiger werden (so ich so lange lebe), was unwichtiger? Ich bin gespannt.

Novemberbunt

Der November hat ja einen eher schlechten Ruf und die in diesem Monat Geborenen ebenso. Grau sei der November, höre ich immer wieder, depressionsfördernd, und die, die zu der Zeit geboren sind, seien hart, ja, böse. Skorpione eben.

Ich möchte jetzt aber mal eine Lanze für den November brechen. Ja, natürlich gibt es das berühmte Novembergrau, vor allem gegen Ende des Monats. Ich finde allerdings den Dezember viel, viel schlimmer. Da gibt es zwar netterweise Lichterketten (die mag ich sehr im Winter, hänge sie schon im November auf und finde es immer schade, wenn sie in der Öffentlichkeit im Januar abgebaut werden), aber der Dezember hat auch diese massive und schrille Vorweihnachtsbekitschung, die mir als Gefühlsduselei-Allergikerin und Nichtchristin so gar nicht liegt.

Der November dagegen hat – zumindest in der ersten Monatshälfte – so viele Farben! Da ist der gelb-grün-blau-rosa Himmel am Morgen und am Nachmittag. Da ist das letzte gelbe Laub an den Bäumen. Da ist das farbenfrohe Essen: rote Kürbisse, lila Rotkraut, orangene Möhren! Und da sind oft noch erstaunlich viele Blumen.

Gestern bin ich bei einem Gang durch meinen Heimatort zufällig auf eine sehr bunte Truppe gestoßen, die gerade den Bürgermeister abführte. Genau, es war am 11.11. um 11:11 Uhr, Beginn der Fastnachtssaison. Fastnacht ist zwar noch weniger mein Ding als Weihnachten, aber bunt ist sie doch unbestreitbar, oder?

Am meisten Freude hatte ich aber gestern an einem kleinen bunten Kleinod hier: einem Rosen- und Kräutergarten. An dem läuft man schnell vorbei am Bürgerhaus, aber es ist wirklich eine schöne kleine Anlage – und auch dort habe ich gestaunt, wie viele Rosen und andere Blumen zurzeit noch blühen. Siehe die Bilder hier…

Ja, man muss im November manchmal ein bisschen genauer hinsehen, um Farben zu finden. Aber gerade weil ich weiß, dass es sie in ein oder zwei, vielleicht drei Wochen nicht mehr geben wird, dass der Herbst dann endgültig vorbei ist und der Winter einsetzt, versuche ich, so viel davon aufzunehmen wie möglich.

Wer hat das erfunden?


Kennt ihr das? Da hat man irgendein haushaltsnahes Dingsi und fragt sich ständig, ob der Entwickler (hier bewusst die maskuline Form) des Geräts so etwas überhaupt schon mal benutzt oder geputzt hat, oder ob er (sic) solche Dinge den weiblichen Haushaltsangehörigen überlässt.
Mal drei Beispiele…

1) Das Cerankochfeld:
Ich habe hier immer wieder meine „Sixth Sense“-Erlebnisse. Sprich, ich komme mir vor wie ein Geist, der versucht, etwas in der materiellen Welt zu bewirken – in dem Fall den Herd zu entsperren. Leider scheint irgendwas an mir dem Feld nicht sehr real vorzukommen, und ich muss oft mehrfach darauf herumdrücken oder meine Anwesenheit mit einem Stück Besteck verstärken. Ich habe keinen Plan, wieso ich damit so besondere Probleme habe, beim besten Ehemann von allen zickt der Herd nicht so rum. Vielleicht ist er nicht auf Frauenhände geeicht?

2) Der Staubsauger:

Das ist so ein nicht ganz billiger, beutelloser Staubsauger. Ich habe ihn mal bei FYS geschenkt bekommen, also will ich auch nicht groß meckern, geschenkter Gaul und so. Er erfüllt auch recht treu seinen Dienst. Aber da wir naturverbunden wohnen, viele Zimmerpflanzen haben und ich und die Katze regelmäßig Haare in der Wohnung verstreuen, verstopft der Staubsauger gern mal an einem Knäuel aus Haaren und trockenen Blättern. Netterweise kann man das Ding ganz gut zerlegen, aber der einzige Ort im Saugsystem, an den man kaum rankommt, ist die enge Biegung, wo sich dann natürlich auch meistens die Verstopfung bildet. Ich habe schon viel und lange mit gebogenen Drähten und ähnlichem darin herumgefummelt und mich geärgert, dass man das kaum reinigen kann.

3) Der Klodeckel:
Ich will nicht ins Detail gehen, aber – wer denkt sich Klodeckel aus, die irgendwelche schmalen, schwer zu reinigenden Ritzen haben?

Und, bei welchen Geräten denkt ihr: „Wer hat das erfunden?“

Everything is beautiful

Triggerwarnung: Tod

Wald bei Zotzenbach

Ich liebe ja den Herbst generell, aber Ende Oktober, Anfang November ist für mich noch einmal eine besondere Zeit. Ob man nun Halloween feiert oder Allerheiligen oder Samhain oder irgend ein anderes Der-Winter-naht-Fest – es ist eine Zeit, in der die Welt der Toten und der Lebenden ein wenig enger rücken, zumindest, wenn man sich darauf einlassen will.

Ich könnte jetzt so viel dazu schreiben, aber ich merke, dass ich hier – halbwegs seriös und mit Klarnamen im Hintergrund – gar nicht so viel von diesen Gedanken in die Welt hinausblasen will. Falsch verstanden zu werden ist ja heute ziemlich einfach, und da werden ein paar typische Skorpion-Gedanken schnell mal als Lebensmüdigkeit ausgelegt oder spirituelle Anwandlungen interpretiert, als hätte man einen Dachschaden. Been there, done that.


Für mich ist es ja gar nicht so, dass Gedanken an den Tod etwas mit mangelnder Wertschätzung dem Leben gegenüber zu tun hätten – im Gegenteil. Gerade weil ich sterblich bin und ziemlich sicher, dass da kein Leben 2.0 in Himmel, Hölle oder Nirvana nachkommt, möchte ich dieses Leben nicht ungelebt vorbeirauschen lassen. Ich möchte seine süßen Seiten genauso schmecken wie seine bitteren. Und der Tod mahnt mich, das ganze nicht aufzuschieben und zu vertrödeln.

Und was ich auch mit dieser Zeit jetzt verbinde, sind all die, die nicht mehr bei mir sind – sei es, weil sie, wie meine Großmutter und Eltern oder mein erster Jugendfreund, schon tot sind, oder weil wir uns aus den Augen verloren, verstritten oder auseinandergelebt haben. Auch sie sind mir in dieser Zeit näher, und das macht mich traurig und gleichzeitig glücklich – glücklich für alles, was ich an tollen Begegnungen mit Menschen in diesem Leben schon mitnehmen durfte.

Das „Stennen Ross“

Die letzten Tage war ich viel im Wald spazieren. Eigentlich hatten wir uns gestern mit Freunden dazu verabredet, aber der beste Ehemann von allen war sehr erkältet und nicht wandertauglich, und ich auch ein Stückchen krank und womöglich virenschleudernd. Also bin ich allein durch die Wälder gelaufen, und besonders am letzten Oktobertag war das sehr schön und magisch am Götzenstein und in seinen Wäldern.

Ach ja, der richtige Soundtrack wäre jetzt vielleicht „Autumn“ von New Model Army: „Everything is beautiful, Because everything is dying“

Lyrics findet ihr hier, den Song auf Youtube.

Auf dem Dachsbuckel

Gelesen: Sacha Bachim, Therapie to go

Wer mich etwas näher kennt, weiß ja, dass ich schon ziemlich viele Bücher rund um die Themen psychologische Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung gelesen habe. Nicht unbedingt, weil ich als Erwachsene überdurchschnittlich viele psychische Probleme habe, sondern vor allem aus Interesse. Und ich bin auch relativ sicher, dass ich sowohl durch die Lektüre als auch durch gute Gespräche mit vielen verständigen Frauen und ein paar verständigen Männern (sorry, ist so) viel von dem gelernt habe, was andere in einer Therapie lernen.

Das Buch mit dem Untertitel „100 Psychotherapie-Tools für mehr Leichtigkeit im Alltag“ verspricht nun Tipps aus der Therapeut*innenkiste – kurz und knackig verpackt. Ich war da recht skeptisch, aber es ist doch gut gelungen. Bachim pflegt einen lockeren Stil und konzentriert sich auf die konkrete Anwendung bestimmter Werkzeuge aus dem psychologischen Werkzeugkoffer. Dabei stammen recht viele dieser Werkzeuge aus der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und auch aus der Acceptance-Commitment-Therapie (ACT) – aber nicht nur.

Viele der geschilderten Tipps und Tricks kenne ich, einige wende ich selbst immer wieder an. So ist das Kapitel über „Musturbation“ gut. Es macht einem klar, was es mit einem macht, wenn man sich sein Leben als eine Abfolge von Zwängen vorstellt („muss arbeiten, muss einkaufen, muss kochen, muss …“), statt als etwas, über das wir mehr oder weniger frei entscheiden können. Ich selbst frage mich oft: Muss ich etwas wirklich tun? Oder will ich es? Und denke an meine Mutter, die als ältere Frau gerne sagte: „Ich muss gar nichts außer sterben!“

Auch das Kapitel über Grübelzwang („nicht an rosa Elefanten denken!“), das vor allem auf ACT basiert, fand ich gut nachvollziehbar, ebenso jenes über Angst und wie man diese durch Exposition mildern kann. Manche Tipps sind einfach anzuwenden, wie zum Beispiel bei Stress gaaaanz langsam auszuatmen. Andere verlangen mehr Motivation, wie ein Glückstagebuch zu führen.

Ein bisschen unhandlich fand ich das letzte Kapitel über Probleme in Beziehungen. Da kamen auf gerade mal 19 Seiten Themen wie Bedürfnisbilanz, Schematherapie, der Kiesler-Kreis, die Transaktionsanalyse und das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) zur Sprache – die meisten davon recht anspruchsvolle und komplexe therapeutische Ansätze, die man eben nicht so einfach aus der Lameng selbst ausprobieren kann. Für mich, die all das zumindest oberflächlich kennt, eine gelungene kurze Zusammenfassung; für jemanden, der sich damit noch nicht beschäftigt hat, vielleicht eher verwirrend.

Natürlich kann das Buch keine Therapie ersetzen. Jemand, der psychisch schwer angeschlagen ist, wird sich kaum aufraffen können, das zu lesen, zu verstehen und anzuwenden, denn fehlende Einsicht ins eigene Fehlverhalten, wenig Selbstwirksamkeitsglaube, wenig Antrieb und wenig Mut zum Risiko kennzeichnen ja oft schwerere Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Aber für die Menschen, die ich als „Normalneurotiker“ bezeichne – und zu denen ich mich selbst zähle –, kann man durchaus das ein oder andere aufgreifen und ausprobieren und die eine oder andere Grundüberzeugung und Routine mal kritisch in Frage stellen.

Guilty Pleasure und die ollen Römer

Nun sind die Herbstferien schon eine Woche vorbei. Aber immerhin hatten wir am letzten Ferienwochenende noch einmal einen schönen Ausflug zum ganz anderen Ende des Odenwaldes gemacht – nach Osterburken. Dort hatten wir das Römermuseum besucht und sind durch die Stadt spaziert. Wir hatten auch erwogen, die nahe Tropfsteinhöhle Eberstadt zu besuchen, aber da waren gerade keine Plätze bei den obligatorischen Führungen frei, und angesichts des schönen Wetters war uns sowieso mehr danach, noch einmal eine Runde im Herbstwald zu drehen.

Herbstwald bei Beerfelden Mitte Oktober

Wieso guilty pleasure? Weil das Schönste am Ausflug eigentlich die lange (je 1,5 Stunden) Hin- und Rückfahrt quer durch den Odenwald war. „Spazierenfahren“ ist ja heute klimatechnisch kein applauswürdiges Hobby mehr. Aber ich verbinde damit immer schöne Zeiten mit meiner Mutter, die gerne mit mir im Odenwald herumgefahren ist. Vor der Zeit der Routenplaner waren wir bestenfalls nur mit einer Landkarte bewaffnet, und meine Mutter war durchaus experimentierfreudig, was seltsame kleine Schleichwege und unbekannte Straßen anging. Ich habe noch besonders gut eine Tour in Erinnerung, die von Siedelsbrunn durch den Wald ins Eiterbachtal und von dort an den Neckar führte.

Diesmal aber einmal Odenwald querbeet – genauer: Weschnitztal, Marbachstausee, Hetzbach, Schöllenbach, Mudau, Buchen, Osterburken. Zurück ging es ab Mudau durch den Reisenbacher Grund, Gaimühle, das Sensbachtal und Wald-Michelbach.

Wenn man aus dem verhältnismäßig urbanen und durch das kristalline Tiefengestein geprägten Weschnitztal kommt, ist der hintere Odenwald schon beeindruckend einsam an manchen Stellen. Besonders zwischen Hetzbach, das zu Beerfelden gehört, und Mudau fährt man lange durch dichte Wälder, die kaum einmal durch kleine Ansiedlungen unterbrochen werden. Die Landschaft ist auch anders durch die unterschiedliche Geologie. Während wir hier im kristallinen Odenwald eine kleinformatige Struktur haben, die viele kleine Täler und Hügel beinhaltet, hat der Sandsteinodenwald langgestreckte Höhenzüge und teils tief eingeschnittene Täler (was bedeutet, dass man Serpentinen und Steigungen nicht scheuen darf, wenn man dort entlangfährt). Das finden wohl auch Motorradfahrer reizvoll, aber manche Strecken dürfen von ihnen z. B. an Wochenenden nicht befahren werden. Die Gegend ist weniger fruchtbar, daher gibt es auch mehr Wald als Felder, und das Wetter ist dort ebenfalls rauer als hier in Bergstraßennähe.

Bei Mudau war die Landschaft Richtung Südosten mit dem Untergrund Muschelkalk wiederum eher flach mit einem weiten Himmel – auch das war reizvoll.

In Osterburken fanden wir das Römermuseum dort durchaus sehenswert. Es war angenehm leer, außer uns waren nur eine Familie und zwei ältere Herren da. Neben Fundstücken konnte man auch die Grundmauern eines antiken Badegebäudes anschauen. Die älteren Herren neigten allerdings dazu, sich sehr lautstark zu unterhalten, sodass man im halben Museum etwas davon hatte. In Osterburken konnte man sich außerdem den Rest des alten Römerkastells anschauen.


Den Ort selbst fand ich eher wenig aufregend. Mich erstaunte, dass das relativ kleine Städtchen (laut Wikipedia gut 6.600 Einwohner) einen so großen und prächtigen Bahnhof hatte. Friederike vom LandLebenBlog erklärte mir auf Bluesky, dass die Stadt schon seit jeher ein Bahnknoten gewesen sei, sowohl für badische als auch für württembergische Linien. Die hatten früher jeweils einen eigenen Bahnhof, weswegen es sogar zwei Stück gab. Und Osterburken lag auf der umsteigefreien Strecke Berlin–Rom. Wieder was gelernt! Heute wirkt das ehemalige Verkehrsdrehkreuz eher verschlafen.


Kleopatra-Barbie und Dom-Yggdrasil

Unser Urlaub neigt sich langsam dem Ende entgegen, seufz. Wir sind gerade ausnahmsweise beide gesund (seufz, seufz) und waren so zu einem Ausflug nach Speyer aufgelegt. Ich bin immer wieder überrascht, dass das ohne Berufsverkehr von unserem Odenwalddorf aus gerade mal gut 40 Minuten mit dem Auto dauert.

In Speyer hatten wir uns nun doch noch die Ausstellung „Caesar und Kleopatra“ angeschaut. Ich war ja etwas zögerlich gewesen, da die Dauerausstellungen im historischen Museum der Pfalz, die mich am meisten interessieren – Urgeschichte und Römer – zurzeit nicht besucht werden können. Außer der Sonderausstellung zu Caesar und Kleopatra (oder besser: zu ziemlich vielem rund um die ptolemäischen Pharaonen und die Römer dieser Zeit generell, aber dazu gleich mehr) konnte man nur noch eine kleine Ausstellung zum Domschatz und eine kleine Fotoausstellung anschauen. Ich gestehe, 17 Euro pro Nase fand ich dafür etwas happig. Aber nun gut.

Die Ausstellung war auch an einem Werktag überraschend voll. Anfangs fand ich das etwas nervig, nicht zuletzt, da es nach Mensch müffelte, und ein offenbar sehr bedeutsamer Herr, der sich in unserer Nähe herumtrieb, anderen bedeutsamen Herren sehr laut alles erklärte, was es in der Ausstellung zu sehen gab.

Wie schon gesagt – meine Befürchtung, in der Ausstellung nur die künstlerische Rezeption des berühmten Liebespaares Caesar und Kleopatra zu sehen, bewahrheitete sich nicht, auch wenn das natürlich Thema war (vor allem Elizabeth Taylor – von ihr gab es sogar eine Barbiepuppe im Kleopatra-Look).

Interessanter war die Geschichte der ptolemäischen Pharaonen, die in der Ausstellung gewürdigt wurde. Ich muss ja gestehen, dass ich nicht immer auf dem Schirm habe, dass Ägypten seit Alexander dem Großen von makedonischen, sprich mehr oder weniger griechischen Herrschern beherrscht wurde. Ich fand es interessant, wie Kunst und Religion der hellenistischen Welt und Ägyptens dann zusammenflossen. Es gab sogar mit Serapis einen Mischgott zwischen Osiris, dem Apis-Stier, Hades und Zeus. Manchmal denke ich, diese etwas mehr laisser-faire-Haltung mit Göttern könnte sich der Monotheismus abschauen, statt sich die Köpfe einzuschlagen über die Frage, wie Gott nun richtig heißt.

Mit der ägyptischen Götterwelt (oder den Götterwelten – es gab ja verschiedene Kultlinien wie jene von Memphis und Theben) bin ich nicht so sehr vertraut. Von Ptah-Sokar-Osiris, einem Gott, der als Mumie dargestellt wird und eine Mischform des Schöpfergottes Ptah und der Totengötter Sokar und Osiris darstellt, hatte ich noch nie gehört.

Rechts vorne: Ptah-Sokar-Osiris

Interessant fand ich auch, wie unterschiedlich Kleopatra zu ihrer Zeit bildlich dargestellt wurde. Dabei muss man allerdings einschränken, dass man bei vielen Statuetten usw. nicht sicher ist, ob sie wirklich sie (oder auch eine Vorgängerin – Kleopatra war immerhin Nr. 7) zeigen. Freude hatte ich (wie bei Römerausstellungen immer) an den Pimmelmännchen.

Die Ausstellung bot vor allem für Kinder viel Interaktives. Wenn es weniger voll gewesen wäre, wäre ich da auch mehr mit am Start gewesen. Immerhin konnte ich meinen Namen in Hieroglyphen schreiben. Der Chepresch zum Verkleiden war zu meinem Leidwesen nicht groß genug für mich.

Wir bummelten danach noch ein bisschen durch Speyer, ich aß eine Portion Pommes bei einer Fast-Food-Kette, von der ich geschworen hätte, es gäbe sie seit den späten 1990ern nicht mehr.


In das sehr sehenswerte jüdische Museum Speyers gingen wir dieses Mal nicht, liefen statt dessen ein bisschen durch die Stadt und gingen am Rhein entlang (Helmut-Kohl-Ufer!). Ich erfuhr außerdem, dass Brezeln irgendwie sehr typisch für Speyer sind, und stand an einer Brezel-Ampel.

Wir waren auch im Dom, den ich merkwürdig kalt und unspirituell finde für ein Gotteshaus mit so viel Geschichte. Wir schauten uns diesmal nur die frei zugänglichen Teile an, wobei ich die Sammlung der Reliquien immer wieder faszinierend finde. Eine liebe Bekannte von mir nannte den Katholizismus (dem sie selbst angehörte) manchmal „Euro-Voodoo“ – daran muss ich dabei denken.

Interessant fand ich im Dom auch einen großen bronzenen Kerzenhalter in Baumform, auf dem man neben merkwürdigen Ausgebilden auch allerlei Bronzetiere entdecken konnte. Ich nahm ein Infoblättchen mit. Dort wurde erklärt, der Baum stelle Gottes Schöpfung dar, die aus drei Wurzeln herauswächst. Die Schlange (habe ich nicht gesehen) stehe für das Böse, die Triebe für die zwölf Stämme Israels, die Rose (habe ich auch nicht gesehen) für Jesus.

Ich fand das Gebilde seltsam. Wenn die Tiere Gottes reiche Schöpfung darstellen sollten, warum dann solche, die in der christlichen Symbolik nicht sehr beliebt sind – wie Kröten, Insekten und Raben? Wieso hat der Baum drei Wurzeln – ein Charakteristikum, das ich von Yggdrasil kenne, das mir aber bisher von biblischen Bäumen nicht geläufig war?

Seltsam fand ich auch, dass im Infoblättchen der Künstler oder die Künstlerin nicht genannt wurde. Nachdenklich spendete ich dem Raben eine Kerze.

Jetzt habe ich ergoogelt, dass die Rose Maria darstellen soll, nicht Jesus. Geschaffen wurde das Ganze von der Dominikanerin Burghildis Roth in den 1980ern. Sie war wohl eine rührige Kunsterzieherin und Bildhauerin.

Das Gassbachtal

Nachdem ich die letzten Tage mit viel Husten und Schniefen verbracht habe und gar nicht oder nur sehr kurz spazieren war, geht es heute wieder etwas besser. Da es ein schöner, ruhiger Herbsttag ist, haben wir einen kleinen Spaziergang dort gemacht, wo ich auch mit meiner aktuell kaum vorhandenen Kondition laufen kann, ohne gleich ins Keuchen, Husten oder Schwitzen zu kommen.

Das Gassbachtal eignet sich dafür hervorragend; es ist ein sanft ansteigendes, sehr hübsches Odenwaldtal bei Gras-Ellenbach, einem Ortsteil von Grasellenbach.

Schön ist im Gassbachtal auch der Kunstweg, einer von 25, die die Sparkassenstiftung Starkenburg gesponsert hat. Dieser hier stammt aus dem Jahr 2012 und ist noch gut erhalten; ich erinnere mich noch an die Einweihung in meinem ersten Jahr als Lokaljournalistin.

Auch zwei Kneippanlagen findet man bei einer kleinen Runde, die auf der einen Seite des Tals hinaus- und auf der anderen wieder hinunterführt. Sie werden von Quellen gespeist; davon gibt es dort viele.

An einer dieser Quellen befindet sich ein Werk zum „Quellendank im Odenwald“, das die Künstlerin Gesine Wegener geschaffen hat – eine sehr interessante und spirituell inspirierende Künstlerin, die ich vor Jahren persönlich kennenlernen durfte. Die Werke an den Quellen danken dem Element Wasser.

Hier in der Region erarbeitete Wegener unter anderem an der Martin-Luther-Schule in Rimbach zusammen mit Schüler:innen eine Stelenanlage, die an jene jüdischen Kinder erinnert, die durch Kindertransporte vor dem Tod während der NS-Zeit gerettet wurden.

In Gelnhausen steht das m.W. erste Mahnmal, das an die Hexenverbrennungen erinnert; es heißt „Die Rufende“ und wurde 1986 von Wegener geschaffen.

Zurück zum Gassbachtal. Auch der Wald dort ist schön. Es gibt dort noch relativ viele Nadelbäume und dementsprechend viele Pilze. Essbare waren zwar keine dabei, die uns auf dem Spaziergang gereizt hätten, aber man muss ja nicht alles ausreißen und auffressen.

An der Felsenquelle im Gassbachtal findet man eine Gedenktafel für Professor Gerhard Beisinger, den „Kenner, Freund, Beschützer der Landschaft unserer Heimat“.

Ich gestehe: Der Name sagte mir zunächst nichts, also habe ich einmal gegoogelt. Beisinger war wohl in der weiteren Region als Lehrer tätig, ab 1924 in Heppenheim, und dort auch als Naturschutzbeauftragter aktiv.

In Antiquariaten konnte ich mehrere Bücher von Beisinger über Naturschutz und Naturschutzgebiete im Kreis Bergstraße finden. Anderswo wird er als „Pionier des Naturschutzgedankens“ bezeichnet, und es wird erwähnt, dass er sich sehr für den Naturpark Bergstraße-Odenwald (den Vorläufer des heutigen UNESCO Geo-Naturparks) eingesetzt hat.
1963 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Wieder was gelernt!

Gerhard Beisinger

Man kann die Runde durchs Tal natürlich beliebig erweitern – zum Beispiel in Richtung Walpurgiskapelle, Hammelbach oder Weschnitzquelle, oder man stattet dem Café Bauer im Gassbachtal einen Besuch ab.

Gras-Ellenbach ist, wie ich schon einmal beim Thema Siegfriedquelle schrieb, ein Ort, der immer noch gerne von Tourist:innen besucht wird. Ich habe ein bisschen recherchiert und dabei festgestellt, dass der Ort allein im Juni 2025 fast doppelt so viele Übernachtungen wie Einwohner hatte.

Als Wander- und Ausflugsziel ist Gras-Ellenbach mit seinem leicht angestaubten Nibelungen-Charme und der prächtigen Natur auch für Tagesausflügler interessant. Und wer sich von Sahnetorten ernährt, muss nach meiner Recherche dort garantiert nicht hungern.

Wenn man das Gassbachtal entlangwandern will, muss man allerdings etwas Glück haben, um auf dem sehr kleinen Wanderparkplatz einen Stellplatz zu bekommen. Fast alle anderen Parkplätze gehören offiziell zu den umliegenden Hotels. Alternativ kann man etwa 200 Meter weiter an der Nibelungenhalle parken.

Mit dem Bus erreicht man den Ort aus Richtung Heppenheim mit der Linie 660, aus Richtung Weinheim mit der 681; beide Linien fahren stündlich, in den Stoßzeiten unter der Woche sogar halbstündlich.

Radikale Akzeptanz und Butter

Ich liebe den Herbst, und ich habe mich schon sehr darauf gefreut, in den zwei Wochen Herbstferien diese schöne Jahreszeit zu genießen. Außerdem wollte ich Freunde treffen, viel wandern und mit dem besten Ehemann von allen Ausflüge machen und hier ein paar Dinge am Haus herumwurschteln, die anstehen. Aber ihr kennt das – es kommt erstens anders und zweitens, als man denkt…

Die Wochen davor waren für mich wirklich verhältnismäßig anstrengend – weniger wegen des (üblichen) Umfangs meiner beruflichen Arbeit, aber ich hatte eine unangenehme zahnmedizinische Sache zu erleiden, die wochenlang nachhallte. Dann musste ich noch andere medizinische Dinge abklären, was mich fürchterlich stresste und auch jetzt noch nicht zu 100 % erledigt ist. Und dann war da noch der Betonlaster, der mein Auto kaputtfuhr. Jetzt nerve ich in regelmäßigen Intervallen die gegnerische Versicherung, wie es weitergehen soll, bekomme aber nur „Ihr Fall wird bearbeitet“-Mails.

Dann war das Wetter in den ersten Ferientagen auch richtig scheußlich, und wir konnten einiges am Haus nicht angehen.

Und jetzt bin ich krank. Auf Halsweh folgte Schnupfen, und jetzt bin ich bei einem quälenden Husten angelangt. Corona ist es immerhin nicht laut Test. Der Freundin, die ich so gerne heute getroffen hätte, habe ich abgesagt; ich fühle mich weder fähig, nennenswert spazieren zu gehen, noch will ich sie indoor vollkeimen.

Ich bin ziemlich deprimiert, um ehrlich zu sein. Aber ich denke auch – wozu lese ich immer wieder Bücher über Acceptance und Commitment?

Ich muss es halt auch anwenden. Sprich: akzeptieren, dass es so ist und ich es gerade nicht ändern kann. Radikale Akzeptanz.


Und ich denke, vielleicht muss das jetzt auch mal sein – dass ich eine Woche oder so wirklich kaum etwas tue außer lesen, Tee trinken, ein bisschen Computer und Mini-Spaziergänge. Früher habe ich ganze Semesterferienmonate auf diese Weise rumgebracht, hüstel.

Zum Glück hatten wir am Samstag einen großen Korb voller Bücher in der nächsten Stabü mitgenommen. Gerade lese ich mit viel Vergnügen den Roman „Butter“ von Asako Yuzuki. Ich mag ja zeitgenössische japanische Literatur sehr – angefixt natürlich von Haruki Murakami, von dem ich irgendwann, ich glaube noch zu Studentenzeiten, „Die wilde Schafsjagd“ las.

Butter ist der erste Roman von Asako Yuzuki. Wie gesagt, ich bin noch nicht ganz durch, aber finde ihn sehr interessant. Ich habe das Gefühl, einen kleinen Einblick zu bekommen in den Alltag japanischer Frauen, die ja ihre eigenen und etwas anderen Kämpfe auszufechten haben als wir hierzulande, und das in einer nicht eben turbo-emanzipierten Gesellschaft.

So ist es für ein garstig hühnenhaftes Weib wie mich ( fast 1,80 und Kleidergröße 44/46 dort, wo Größen groß ausfallen) natürlich schon fast amüsant, wenn sich eine Frau mit 1,66 m als viel zu groß bezeichnet und als „fett“ gilt, wenn sie mehr als 50 Kilo wiegt. Aber die Schönheitsideale – klein und zerbrechlich zu sein – und der Druck, sich nicht gehen zu lassen, sind in der japanischen Gesellschaft, wie sie die Autorin darstellt, sehr stark.

Der Roman wird aus der Sicht einer jungen Reporterin namens Rika erzählt, die Interviews mit der inhaftierten Manako führt. Diese hat wohl in einer Art „schwarze Witwe“-Manier mehrere Männer unter die Erde gebracht. Diese erregt nicht zuletzt (bei misogynen Männern vor allem) Aufsehen, weil Manako furchtbar dick ist (70 Kilo!!!), sondern auch, weil sie sich leidenschaftlich und gleichzeitig fürsorglich gibt. Zentrales Element dabei sind ihre Kochkünste.

Manako beginnt, Rika zu manipulieren und dazu zu motivieren, mit Lust viel zu essen. Ich muss sagen: appetitliche Beschreibungen gelingen der Autorin gut! So bekomme ich, obwohl weitgehend vegan lebend, angesichts der Schilderungen des Essens darauf richtig Lust, unter anderem auf Butter. Butter, die auf Reis zerläuft…

Rika bewegt sich zwischen der Manipulation durch Manako und einem eigenen, selbstbestimmten Weg, bei dem sie nicht nur zunimmt, sondern auch sonst den Ansprüchen an eine pflegeleichte, gehorsame und liebe Frau nicht mehr genügen will. Aber auch von Manako entfremdet sich Rika, was diese nicht ungesühnt lässt…

Wie gesagt, ich bin noch nicht ganz fertig.
Ach – was wäre die Welt ohne Bücher!

Das Dürr-Ellenbacher Tal

Ein wirklich schönes Wandergebiet ist die Gegend zwischen Oberschönmattenwag („Schimmeldewoog“) und Raubach. Kommt man mit dem Auto, parkt man am besten auf dem Parkplatz „Waldlehrpfad“.

Der Waldlehrpfad ist etwas Besonderes: Er soll der erste in Deutschland gewesen sein. Angelegt hat ihn der Lehrer Ruprecht Bayer 1957.

Ich mag die etwas anachronistisch wirkenden Schilder – etwa jene, die bildhaft vor Rauchen im Wald warnen, oder andere, die mit einem Gedicht darauf hinweisen, dass Sorgen im Wald keinen langen Bestand haben (*Text siehe ganz unten). Letzteres kann ich voll und ganz unterschreiben.

Bayer hat übrigens – wie ich in diesem Wikipedia-Eintrag über den Ort im Dialekt gelesen habe – auch die Hymne von Schönmattenwag geschrieben: „Schimmeldewog, wie leigscht du schäi“.

Neben dem Waldlehrpfad gibt es dort noch verschiedene andere markierte Wege. Man kann aber auch einfach auf der einen Seite des Dürr-Ellnbacher Bachs hinauf- und auf der anderen Seite hinunterlaufen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Bach trockenen Fußes zu queren.

Es ist eine schöne, ruhige Ecke dort, auch bei herbstlichem Ausflugswetter nicht überlaufen. Wir haben viele Pilze gesehen, allerdings nur wenige essbare, die noch gut waren. Ich bin dort aber auch schon mit vollen Körben nach Hause gegangen. Hübsch waren die nicht sammelnswerten Pilze aber allemal.

Ganz am Ende des Tals steht das alte Forsthaus, zu dem wir heute nicht hingelaufen sind. Angeblich soll es Anfang des 20. Jahrhunderts mit vier Einwohnern das kleinste Dorf Deutschlands gewesen sein. Früher war es größer; die erste Erwähnung findet sich laut Wikipedia schon 1437. Anfang des 19. Jahrhunderts sollen dort 42 Menschen gewohnt haben. Doch wie auch in anderen armen Odenwalddörfern, die heute nicht mehr existieren, setzte dort Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Auswanderungsbewegung nach Amerika ein. Nur ein Hof blieb übrig, der später zum Forsthaus wurde. Von den anderen Gebäuden ist heute nichts mehr zu sehen.

*
Wie es den Sorgen im Walde ergeht
Einst wollt ich hinaus in den grünen Wald,
da zogen die Sorgen mit.
Vergebens gebot ich wohl zehnmal Halt,
sie folgten mir Schritt für Schritt.

Doch als wir kamen wohl in den Busch,
begann ein Flüstern sogleich –
die Vögel riefen: „Ihr Sorgen, husch,
hinaus aus dem grünen Bereich!“

Das Gras erhob sich und hielt sie auf,
ein Windstoß hauchte sie fort,
die Bäume rauschten und schlugen drauf,
sie flohen von Ort zu Ort…

Und rannten und stießen die Köpfe sich ein
am Felsen, riesig und rauh,
verschmolzen im lachenden Sonnenschein,
ertranken im duftigen Tau.

„Da habt ihr’s!“ rief ich, von ihrer Not
befreit, in die Lüfte hinaus –
„da seht ihr, was euch im Walde droht,
ein andernmal bleibt ihr zu Haus!“

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