Lesen, Wandern, Palavern

Autor: Katja (Seite 3 von 3)

(Welt)frauen(kampf)tag

„Frauen sind das starke Geschlecht.
Männer tun mutig, Frauen sind’s echt…“

So begann ein Gedicht, das ich mit 10 oder 12 Jahren geschrieben hatte. Ja, ich war schon immer eine Feministin, obwohl ich immer den Begriff Emanze bevorzugte – das klingt kratzbürstiger.

Ich habe das Glück, von Eltern großgezogen worden zu sein, die eine gleichberechtigte Partnerschaft lebten. Die Vorstellung, als Frau etwas nicht zu können oder zu dürfen qua Geschlecht, gab es in meiner sowieso recht liberalen Erziehung nicht.

Und trotzdem geht es mir bestimmt wie fast allen Frauen: Ich hadere mein Leben lang mit der Diskrepanz zwischen meinen feministischen Ansprüchen, dem, was die Welt anbietet und zumutet – und dem, was ich selbst tue, tun kann, tun will.

Karrierefrau sein? Wäre natürlich eine Option gewesen in meinem Leben, aber ehrlich, ich bin nicht die Frau für eine 60-Stunden-Arbeitswoche. Ich hatte ein paar Jahre wesentlich mehr gearbeitet als heute und konnte richtig zusehen, wie mein Akku sich dabei leerte und leerte.

Mich in meinem Körper wohlfühlen? Gelingt mir inzwischen ziemlich gut als dicke, alte Frau, aber als Teenagerin zweifelte ich in selbstmitleidigen Tagebuchpassagen meine Lebensexistenz an, weil ich dick war. Und hungerte mich dann dünn.

Habe ich meine Beziehungen zu Männern – beruflich und privat – immer auf Augenhöhe geführt? Lebe ich in einer gleichberechtigten Beziehung? Ja, das würde ich schon sagen. Und doch überkam mich das Grauen, als ich vor ein paar Jahren, als die #MeToo-Bewegung aufkam, reflektierte, wie oft ich als jüngere Frau belästigt worden bin, wie oft ich einfach nur Glück hatte, einer Vergewaltigung entgangen zu sein. Soll ich mir da auf die Schulter klopfen und sagen: Was für eine tolle gleichberechtigte Welt?

Und ich sehe mit Grausen, wie sich das, was man „toxische Männlichkeit“ nennt, immer mehr im Internet ausbreitet. Aus META bin ich ja aus Gründen raus, aber unter jedem Zeitungsartikel, der irgendetwas mit Feminismus zu tun hat, ergießt sich in den Kommentarspalten genau das – ätzender Frauenhass.

Und doch glaube ich, dass zumindest in unserer Gesellschaft heute das meiste, was uns Frauen das Leben schwer macht, Dinge in unseren eigenen Köpfen sind. Wir wollen gefallen, wir wollen nicht anecken, wir wollen nicht kämpfen. Wir wollen gerne alle Erwartungen an uns erfüllen – perfekte Liebhaberinnen, Freundinnen, Ehefrauen, Töchter, Mütter, Geschäftsfrauen, Sportlerinnen usw. sein. Und dabei natürlich perfekt aussehen und erleuchtet sein und der Haushalt ist auch noch picobello. An solchen Ansprüchen können wir nur scheitern. Da, denke ich, können wir von den Männern lernen. Die können sich oft toll finden, auch wenn sie objektiv wenig vorzuweisen haben.

Mein kindliches Emanzen-Gedicht macht übrigens, nachdem Männer noch eine Weile beschimpft werden, am Ende noch einen süßlichen Schlenker in die Richtung, dass die Männer die Frauen doch bitte lieb haben sollen. Oder besser, die Jungen die Mädchen. Denn das Ideal der romantischen Liebe war in jungen Jahren fest in meine Schaltkreise eingetackert als das ultimative Lebensziel.

Auch mein Weg zur Emanzipation hielt damit ein paar Schlaglöcher bereit.

Langsamer

Heute bin ich mit Halsschmerzen aufgewacht – Mist. Ich habe zwar gerade nicht so viel zu arbeiten, aber bei dem schönen Wetter bin ich gerne ausgiebig draußen unterwegs, wenn ich Zeit habe. Immerhin laut Test kein Corona, so krank fühle ich mich auch nicht. Also Tee, Lutschtabletten und langsam machen. Durch den Lidl mit FFP2-Maske, will ja andere nicht an meinem Schnupfen teilhaben lassen – ja, ich weiß, crazy!

Ein bisschen tippen und Mails, ein paar Fotos, das Tagesgeschäft der Lokaljournalistin auch abseits von Terminen. Nach zwei Tagen Info einer Behörde, dass eine andere Behörde für die Info zuständig ist, die ich wollte – Seufz.

Dann raus in die Sonne, mich zügeln wie einen übermütigen Hund an der Leine, denn ich wollte mich nicht sonderlich anstrengen.

Also langsames Zen-Spazieren um den Waldsee, blauer Himmel, Zitronenfalter immer weit genug weg, um nicht aufs Foto zu kommen. Freue mich über erste Brennnesseln, die auch gleich in eine grüne Gemüse-Nudel-Tofu-Pfanne gewandert sind. Grün ist die Hoffnung!

Grün sind auch die Augen vom Lieblingstier hier.

Zuversicht

Angela hat zu einer Blogparade zum Thema Zuversicht aufgerufen. Ich gebe ehrlich zu, dass ich zuerst dachte – wo soll ich denn Zuversicht hernehmen in solchen Zeiten?

Ich weiß um – und verachte es ein bisschen, ich gebe es zu – den leichten Weg, den man jetzt einschlagen kann: Zynismus, Sarkasmus, Nihilismus. Im stillen Kämmerlein (und auf der Computertastatur) vor sich hin schimpfen, wie schlecht alles ist, zufrieden den Widerhall der Worte in den Echokammern der eigenen Bubble lauschen – aber nichts Relevantes tun.

Aber was kann ich dann tun? Wenig, bei der Weltpolitik wohl gar nichts. Ein bisschen Demokratiegruppe hier, ein bisschen Nettigkeit im persönlichen Umfeld da, ein bisschen Konsumverzicht, der Umwelt zuliebe. Und irgendwie versuchen, Mut und Zuversicht zu finden, denn ohne Mut geht das nicht.

Was mir dabei sehr hilft, ist das Vorbild großer Frauen. Ich lese gerade Die Feuer der Freiheit von Wolfgang Eilenberger über die Philosophinnen Hannah Arendt, Simone Weil, Simone de Beauvoir und Ayn Rand. Unabhängig von den sehr unterschiedlichen Ausgangslagen und Denkstilen eint diese Frauen (und viele weitere), dass sie an sich und ihre Ideen glaubten. Das eigene Denken, das produktive Schaffen und Schreiben war für sie das Wichtigste – unabhängig davon, wie gefährlich oder prekär ihr Leben gerade war.

Ob nun die Genannten oder andere große Denkerinnen, Schriftstellerinnen, Aktivistinnen – bei vielen dieser Frauen entdecke ich einen Lebensmut, der sie auch durch dunkle Zeiten trägt. Die Bereitschaft, das Leben anzunehmen mit allen Schmerzen, die es mit sich bringt, und dabei nicht die Freude an den schönen Dingen zu verlieren. Mich lehrt das auch: Die Bindung, das Verhaftetsein an Materielles, an das alltägliche Klein-Klein zu lockern, mich nicht mehr vom betäubendem Geschrei auf META irre machen zu lassen, und mich auf Wesentlicheres zu konzentrieren. Das ist auch – die Natur, der Frühling, der immer wieder kommt, der Mond, der immer wieder neu wird.

In einem Buch, das ich gerade lese, über Rosa Luxemburg, Hannah Arendt und Simone Weil, finde ich das wieder. Gestern bin ich auf ein Zitat gestoßen von Rosa Luxemburg, das sie aus einem ihrer letzten Gefängnisaufenthalte schrieb. Dieses Zitat hatte ich schon einmal als Teenagerin irgendwo entdeckt und mir abgeschrieben, weil es mich so bewegt hatte.

Ich zitiere:

Vom Fenster her zeichnet sich auf der Decke der Reflex der Laterne, die vor dem Gefängnis die ganze Nacht brennt. Von Zeit zu Zeit hört man nur ganz dumpf das ferne Rattern eines vorbeifahrenden Eisenbahnzuges oder ganz in der Nähe unter den Fenstern das Räuspern der Schildwache, die in ihren schweren Stiefeln ein paar Schritte langsam macht, um die steifen Beine zu bewegen. Der Sand knirscht so hoffnungslos unter diesen Schritten, daß die ganze Öde und Ausweglosigkeit des Daseins daraus klingt in die feuchte, dunkle Nacht. Da liege ich still allein, gewickelt in diese vielfachen schwarzen Tücher der Finsternis, Langeweile, Unfreiheit des Winters – und dabei klopft mein Herz von einer unbegreiflichen, unbekannten inneren Freude, wie wenn ich im strahlenden Sonnenschein über eine blühende Wiese gehen würde. Und ich lächle im Dunkeln dem Leben, wie wenn ich irgendein zauberhaftes Geheimnis wüßte, das alles Böse und Traurige Lügen straft und in lauter Helligkeit und Glück wandelt.
Und dabei suche ich selbst nach einem Grund zu dieser Freude, finde nichts und muß wieder lächeln über mich selbst. Ich glaube, das Geheimnis ist nichts anderes als das Leben selbst; die tiefe nächtliche Finsternis ist so schön und weich wie Sammet, wenn man nur richtig schaut. Und in dem Knirschen des feuchten Sandes unter den langsamen schweren Schritten der Schildwache singt auch ein kleines schönes Lied vom Leben – wenn man nur richtig zu hören weiß.“


Brief aus dem Gefängnis, An Sonia Liebknecht, Dezember 1917

Von Buchklingen zu Wachenburg (Wanderung)

Buchklingen ist ein kleiner Ortsteil von Birkenau, der hoch in den Odenwaldhügeln liegt und von dem man einen schönen Blick Richtung Bergstraße hat. Der Name deutet schon darauf hin, dass es eine waldreiche Gegend ist, in der Buchen vorherrschen.

Es gibt dort aber auch viele Wiesen, auf denen unter anderem Büffel grasen. Bei unserem Spaziergang haben sie sich in Wanderwegnähe leider nicht blicken lassen. Die Tiere gehören zu einem Restaurantbetrieb in Löhrbach, der sie als Bisonburger & Co. auch auf der Speisekarte hat.

Ich mag schon lange eine kleine Madonna, die dort am Wegrand in ihrem Schrein steht. Früher war diese Nische sehr düster und voller Spinnweben, heute ist sie sauber. Beeindruckend ist auch die schöne große Eiche, die daneben steht.

Wir machten bei der Wanderung einen kleinen Schlenker weg vom Höhenweg, der mit dem grünen Andreaskreuz bzw. Quadrat bezeichnet wird, auf den Burgensteig, den eine blaue Burg kennzeichnet. Das war ein ziemlich steiler Aufstieg auf den Wachenberg.

Der Weg führt – ebenso wie der Höhenweg – zur Wachenburg. Die mittelalterliche Anmutung dieser Burg ist sozusagen „fake“. Sie wurde erst 1928 fertiggestellt und dient als Treffpunkt und Erinnerungsstätte studentischer schlagender Verbindungen. Jedes Jahr am Freitag nach Christi Himmelfahrt kommen die Studenten und „Alten Herren“ nach Weinheim – ein Tag, an dem ich, als wir noch in Weinheim wohnten, die Innenstadt mied. Diese Mischung aus männlicher Bierseligkeit und Fackelmärschen sagte mir einfach nicht zu.

Auf dem Rückweg machten wir einen Schlenker vorbei an einem besonderen Grenzstein, einem sogenannten „Dreimärker“, da er eine Stelle markiert, an der drei Gemarkungen zusammenstoßen. Auf dem Stein kann man auf einer Seite „GB“ lesen, das bedeutet „Großherzogtum Baden“. Außerdem ist eine Weinleiter darauf zu sehen, die die Stadt Weinheim symbolisiert. Das „H“ – auch als Maueranker gedeutet – steht auf den Grenzsteinen der Region für die Gemeinde Birkenau. Auf der dritten Seite ist „GH“ zu lesen – für das Großherzogtum Hessen. Auch heute markiert der Stein noch die Grenze zwischen Birkenau/Hessen, Gorxheimertal/Hessen und Weinheim/Baden-Württemberg. Wie oft bei solchen Dreimärkern wirkt auch dieser Stein etwas angenagt – das kann an Schäden durch Fuhrwerke und Forstarbeiten liegen. Allerdings wurde früher oft auch absichtlich etwas von solchen Steinen abgeklopft, da man ihnen im dörflichen Aberglauben allerlei heilende Kräfte zuschrieb.

Die Wanderung wurde im Nachhinein überschattet davon, dass plötzlich das Handy des besten Ehemanns von allen losheulte und eine Katastrophenwarnung absetzte: Die Polizei habe Mannheims Innenstadt gesperrt. Wir wunderten uns – ich dachte an so etwas wie einen Banküberfall. Was wirklich los war, sahen wir dann erst zu Hause.

Tierköpfe bei Weinheim (Wandern)

Eine meiner großen Leidenschaften ist das Wandern. Oder, weil sich das nach sportlichen 30-km-Märschen anhört, das Spazierengehen. Heute war ich mit dem besten Ehemann von allen unterwegs.

Wir sind seit längerer Zeit mal wieder im Bereich des Weinheimer Hirschkopfes und Saukopfes herumgelaufen. Dabei haben wir eine abgekürzte Variante des dortigen Wanderwegs 2 gewählt, der am Wanderparkplatz am Ende des Weilers Nächstenbach beginnt.

Bei der Wanderung über Saukopf und Hirschkopf gibt es einiges zu sehen. So stößt man auf dem dortigen Höhenweg auf diesen merkwürdigen Turm – der keiner ist. Es handelt sich um einen Abluftschacht des Saukopftunnels, der seit 1999 den Weg ins Weschnitztal abkürzt – und die Staus ein paar Kilometer weiter verlagert. Aktuell baut man eine Ortsumgehung um Mörlenbach.

Wenn man „nach dem Thurm“ gehen will, ist aber der Hirschkopfturm gemeint.

Vor dem kleinen, steilen Aufstieg zum Hirschkopf sind wir noch über den Saukopf gewandert und haben von der Hütte „Schauinsland“ den Blick über meine kleine Welt genossen – das Weschnitztal.

Zwischendurch kommt man auch am Hölzerlipsstein vorbei. Der Grund für die seltsamen Ausbuchtungen in dem Stein erklärt folgende Sage: Eine Mutter schickte ihre Tochter aus, um der Tante Brot und Wein zu bringen. Die Tochter musste durch den Wald, und Hölzerlips, der Räuber, trat ihr entgegen. Er erschlug das Kind. Nach vielen Stunden suchte die Mutter ihre Tochter und fand sie erschlagen am Wegesrand. Ihre Tränen erweichten die Steine, und noch heute kann man die Abdrücke der Weinflasche und des Brotes im Stein sehen…
Den Räuber Hölzerlips und seine Bande gab es wirklich, aber darüber erzähle ich ein andermal mehr.

Jetzt aber endlich: der Hirschkopfturm.

Sehr viele Stufen sind es nicht hinauf, aber sie sind eng und schmal.


Auch oben hat man nicht viel Platz, aber der Ausblick in den Odenwald oder ins Rheintal (siehe Bild) ist toll.

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