Wenn man zwischen Rimbach und seinem Ortsteil Zotzenbach in den Trommwäldern unterwegs ist, kann es passieren, dass man an zwei großen Buchen vorbeikommt. Die sehen interessanterweise so aus, als wolle die eine die andere umarmen – oder fangen? Aber darum geht es hier gar nicht.

Schaut man nämlich hinauf, entdeckt man Schuhe, die dort in den Ästen hängen. Die Leute in der Gegend nennen den Baum den „Schlappebaum“. (Wobei es ja eigentlich 2 Bäume sind, aber egal.)
In den oberen Zweigen hängen mehrere zusammengebundene Schuhpaare, festgeknotet an ihren Schnürsenkeln.





Wie lange es dieses kleine Ritual schon gibt, weiß ich nicht genau – einige Jahre oder Jahrzehnte dürften es wohl schon sein. Zumindest habe ich dort schon vor Jahren erste Schuhe hängen sehen.
Aber was hat es eigentlich mit diesem Baum auf sich?
Auf der Babbelbox auf der Tromm – das ist eine Hörstation mit Mundartbeiträgen aus der Region – erzählt der Redakteur Wolfgang Arnold etwas über den Brauch des „Schlappeschmeiße“. „Das war eine Art „Schnapsidee“ aus dem Umfeld des damaligen Bistro zu meiner Schulzeit“, erzählte er, als ich jetzt nachfragte. Es sei von der Tränke bis zur Kneipe auf der Tromm gegangen. Jeder hatte einen Schlappen und warf ihn in Richtung Tromm. Dort, wo er landete, ging es weiter. Wer am wenigstens Würfe bis zur Kneipe brachte, der hatte gewonnen.
Schuhe werfen ist also durchaus mal vorgekommen und bezeugt. Aber Schuhe in Bäume hängen?
Bis vor kurzem dachte ich, das sei wieder so ein Odenwälder Spezialbrauch mit nicht nachvollziehbaren Hintergrund, irgendwas mit Kerwe im Zweifelsfall. Aber Wikipedia weiß es besser: Auch anderswo gibt es solche „Schuhbäume“, und viele davon sind deutlich dichter behängt als der bei Rimbach. Besonders in den USA sind sie recht weit verbreitet.
Auf Wikipedia wird vermutet, dass solche Schuhbäume eine moderne Variante älterer Bräuche sind, bei denen Stoffstreifen oder Kleidungsstücke in Bäume gehängt wurden – um Sorgen loszuwerden oder Wünsche zu manifestieren.
Ich persönlich denke, das ist eher ein Gag oder, im Falle von Gebirgswegen, ein Zeichen dafür, dass man sich dabei die Wanderschuhe durchgelaufen hat. Aber so herausfordernd ist die Tromm wandertechnisch nun auch wieder nicht mit ihrer Maximalhöhe von knapp 600 Metern.
Also bleiben die ollen Latschen in den Bäumen ein bisschen geheimnisumwittert.
Aus Umweltschutzgründen ist diese Art der Altschuh-Entsorgung natürlich eher abzulehnen.
Ihr findet den Schlappebaum, wenn ihr vom Rimbacher Parkplatz Tränke aus die Runde gelbe 2 lauft oder vom Zotzenbacher Parkplatz Im Kreuz die gelbe 8.
Vielleicht führt da eine Spur zu den Schuhtestern der Schuhfabrik Freudenberg in Weinheim? Schnauze voll vom Umherlatschen? Nur so eine Idee.
Schuhtester von Freudenberg sagt mir nichts :-). (Freudenberg kenne ich natürlich.) Aber wie ich geschrieben habe, scheint das wohl ein häufiger Brauch zu sein. Ich sehe vor meinem inneren Auge betrunkene junge Männer, von denen einer sich die Sohlen durchlatschte – und der Schuh landete dann zur allgemeinen Belustigung im Baum… und dann warf einer seine noch hinterher…
Freudenberg betrieb auch in Weinheim eine Schuhfabrik. Wahrscheinlich arisiert. Ich kannte einige Kollegen, die dort arbeiteten. Es gab Menschen, die an der Bergstraße entlang und wohl auch im Odenwald die Schuhe „testeten“ d.h. durch die Landschaft stiefelten. Mit Kontrollpunkten etc. Wäre interessant das aufzuarbeiten. Wir lachten immer darüber. Erst bei der Aufarbeitung der Familiengeschichte (da war ich schon Rentner) kam heraus, dass sie auch beim „Schuhläufer-Kommando beteiligt waren. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ploetzlich-waren-sie-teil-des-systems-14231628.html
Das ist ja interessant! Wann war das ungefähr?
Kann ich so genau nicht sagen. Ich schätze in den 50zigern, 60zigern? Aber ich schätze in Mörlenbach gibt es noch Zeitzeugen. Freudenberg hat nicht nur seine Gerberei abgewickelt, auch das Schuhimperium wie Elefanten und Tack.
Der Brauch mit den Schlappen klingt ein bisschen wie Boßeln ohne Kugeln 😀 Unsere Nachbarschaftsrunde in Brunsbüttel hat allerdings gar nicht erst eine Kneipe angepeilt, es wurde einfach so zwischen den Würfen direkt gebechert. Wie viele Bräuche sich im Kern um das Trinken drehen, ist gleichermaßen lustig wie besorgniserregend 😉
Aber Schuhe im Baum, das ist echt schon verwunderlich. Neben der Sauferei haben anscheinend Menschen auch die Angewohnheit, Dinge hinterherzuwerfen. SChuhe in den Baum, Münzen in einen Brunnen 😀
Vielen Dank für die unterhaltsame Untermalung meiner Mittagspause und liebe Grüße!
Angela
Boßeln! Hatte die ganze Zeit überlegt, bei euch da oben gibt es doch auch so was mit Kugeln werfen, wie hieß das bloß…
und ja, Saufen ist schon Volkssport hier, immer noch. Wir haben hier halt sonst nix.