Lesen, Wandern, Palavern

Hitzewelle

Heute und morgen soll die große Hitzewelle kommen. Ich fand es schon die letzten Tage ziemlich heiß und bin froh, dass es hier im Odenwald ein paar Grad kühler ist als in der Rheinebene – vor allem in den Städten.
Ich gönne mir, wenn mir das Hocken in der Verdunklung zu viel wird, den Luxus eines Ventilators auf der Terrasse und hatte selten in einem Sandalensommer so saubere Füße… sie stecken nämlich ständig in einer Schüssel mit kaltem Wasser.

Morgens laufe ich früh meine Runde durch den Wald, bevor es zu heiß wird (siehe Bilder), und versuche auch sonst, alles am Vormittag zu erledigen, soweit es geht. Ich schlafe wenig: Abends ist es mir zu warm, und morgens piepsen mich die Vögel durch die geöffneten Fenster früh heraus. Aber im Sommer brauche ich wenig Schlaf.

Unbeschwerte Sommerlaune habe ich aber nicht gerade. Ich denke, eben auch wegen dieser frühen Hitzewelle, über Klimawandel, Artensterben und Umweltzerstörung nach.
Gestern habe ich eine Diskussion zwischen einer jungen Kollegin und zwei konservativen Amtsträgern darüber mitgehört, ob man den Klimawandel – sagen wir es mal salopp – sportlich nehmen soll, im Sinne von: Dann haben wir halt Klima wie am Mittelmeer, ist doch auch schön, und bauen eben höhere Dämme.
Oder ob es angemessen, ja nötig ist, Angst zu haben, so wie es FfF oder die Letzte Generation artikulieren. Oder ob man sich lieber auf das konzentriert, was man konkret tun kann.

Ich selbst kann das Thema nicht leicht nehmen. Ja, klar, Italien-Klima in Deutschland, meinetwegen. Aber was ist mit den Menschen in Italien? Was mit denen in Marokko? Was mit denen in der Sahelzone?
Ich kann aber die Leute verstehen, die sagen: Angst ist vielleicht angemessen, aber wenn sie lähmt, bringt sie nichts, im Gegenteil. Lieber schauen, was man selbst vor Ort tun kann, und auch mal die positiven Seiten eines klimabewussteren Lebensstils hervorheben. Da kann ich durchaus mitgehen. Solarpunk.

Ich selbst habe keine Angst vor dem, was kommt. Ich bin eher traurig (und froh, keine Kinder zu haben) und habe gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil ich zwar schon ein paar Dinge tue, um nicht ganz so viel Schaden anzurichten auf der Welt, aber vieles eben auch nicht. Und gleichzeitig fühle ich mich hilflos, denn ich weiß: Ich kann noch 1.000 Blöcke Tofu fressen, das wird das Klima und das Artensterben nicht ändern.
Andererseits will ich versuchen, wenigstens ansatzweise das zu tun, was ich für richtig halte. Und da erkenne ich auch den Pragmatismus eines Konservativen an, der sich für Windräder, PV-Anlagen und Stadtradeln einsetzt.

Das ist es ja, was mir auch die Freude an Mastodon und Bluesky inzwischen etwas vergällt. Klar, die rechten Schreihälse, die ständig gegen Ausländer, queere Menschen oder Grüne grölen, sehe ich dort so gut wie nicht.

Aber ich empfinde auch eine gewisse „Das ist alles so schrecklich, so schlimm!“-Grundstimmung, der – nehme ich mal schwer an – kein entsprechendes Engagement entgegensteht. Dazu geht mir eine gewisse Selbstgerechtigkeit auf den Keks. Ich habe das ja schon seit Jahren immer wieder gehört, dass das der große Makel der linksorientierten Menschen sei, und fragte mich immer: Was meint man genau damit?

Inzwischen weiß ich es. Da werden, habe ich das Gefühl, teilweise die Sub-unter-klein-Bubbles so exklusiv und adelig, dass jede*r, der irgendwie anders denkt oder handelt (auch wenn 95 % übereinstimmen), gleich ein Faschist, Arschloch oder sonstwas ist.

Erst vor kurzem hat mir irgendein selbstgerechter Herr erklärt, wie hirngewaschen ich sein muss, wenn ich hier in unserer Dorf-Parteienlandschaft überall vernünftige und nette Menschen entdecken kann, ja, auch bei Konservativen. Ganz ehrlich: Das ist mir zu blöd.

Nun denn. Ich glaube aber, jetzt zur Sommer- und Urlaubszeit muss ich auch mal solche deprimierenden Themen etwas außen vor lassen. Die Hormonachterbahn schlingert eh gerade wieder herum, und ich brauche nicht noch mehr Weltschmerz.

Daher habe ich – ganz gegen meine Gewohnheit – zwei angefangene Bücher erst mal wieder zur Seite gelegt:
Eva Menasses Roman „Dunkelblum“ über ein deprimierendes österreichisches Dorf mit Nazi-Vergangenheit und „Die Welt ohne uns“ von Alan Weisman.
In Letzterem geht es darum, wie sich die Erde verändern würde, wenn die Menschheit plötzlich verschwände.
Den Gedanken finde ich zwar weniger deprimierend, sehr wohl aber die Tatsache, wie unser dunkles Erbe von Plastikmüll über Ewigkeits-Chemikalien bis hin zu CO₂ auch eine Welt ohne uns noch viele, viele Jahre negativ prägen würde. Seufz.

Ich glaube, ich werde mal ganz bewusst ein bisschen Weltflucht betreiben. Habe in der Stadtbücherei einen Murakami gefunden und in einem öffentlichen Bücherregal einen Kluftinger-Krimi.

3 Kommentare

  1. Angela Carstensen

    Ach Katja, ich kann das sehr nachfühlen. Wobei ich mehr Verständnis für die habe, deren Nerven angesichts der Metakrise dermaßen dünn sind, dass ihnen der Kragen platzt, wenn Leute immer noch meinen, Ölheizungen oder Verbrennerautos seien zukunftsfeste Technologien. Leider ist dieses Rumschnauzen bei abweichender Ansicht dann so eine super schlechte Strategie. Andererseits hat ja Nettigkeit bisher auch die Mehrheit nicht bewegt, sich so richtig ins Zeug zu legen. Und dann denkt manch eine Person: „Jetzt isses auch egal, dann kann ich den Rest an meiner angstbedingten schlechten Laune teilhaben lassen, nach mir die zwischenmenschliche Sintflut!“ Da hätte ich hauptsächlich Mitleid.

    Wobei ich auch die verstehen kann, die aus Angst vor der Veränderung Klimamikado spielen. (Wobei dann die Veränderung sehr viel unangenehmer und unbestimmter über sie hereinbrechen wird). Allerdings nur auf der rationalen Ebene. Ich kenne die Mechanismen von Verdrängung und Reaktanz. Der emotionale Teil in mir geht da aber auch an die Decke vor Wut und Frust. Nur weiß ich, dass es nix bringt, diese Leute anzuschnauzen.

    Du kannst Menschen nicht durch Beschämung dazu bringen, ihr Verhalten nachhaltig zu ändern. Ich fürchte, ich kann Menschen nur in einem sehr geringen Maß dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern. Es ist ein Kreuz.

    Aus meiner Sicht ist mir inzwischen Selbstschutz das Wichtigste. Von Zeit zu Zeit Nachrichten ausblenden, die mich hilflos fühlen lassen. Und zu anderen Zeiten an Events teilnehmen mit Menschen, die noch versuchen, das Ruder rumzureißen. Je nach Energiepegel und Tagesverfassung.

    In diesem Sinne: Gute Erholung!

    • Katja

      Danke dir!
      Nun ist es ja so, dass ich mich in den Bubbles der „Richtigdenkenden (TM)“ inzwischen öfter auf der Seite der Feindbilder wiederfinde, weil ja „Die Medien“ und „alle Journalisten“ auch an allem (mit-)schuld sind, zusammen mit „der Politik“ und „Den Politikern“.
      Das ist mir dann halt auch wieder zu blöd, und da hält sich dann auch mein Mitleid mit denen in Grenzen. Es gibt viele gute Gründe, ständig angekackt zu sein. Es reicht ja schon, eine Frau* zu sein :-D. Deswegen muss ich trotzdem nicht roh auf meinen Mitmenschen herumhacken, auch wenn sie in meinen Augen großteils verblendet und ignorant sind. Mit 16 oder 18 hat Mensch sich da vielleicht noch nicht unter Kontrolle, aber von Leute Ü30 erwarte ich, dass sie sich auch bei abweichenden Ansichten halbwegs sozial adäquat verhalten können. Sonst ist man, sorry, auch als Klimaschützer XXL kein Deut besser als der Wurstbürger auf facebook.

      • Angela Carstensen

        Ja, halbwegs sozial adäquat sollte schon für alle Minimalvoraussetzung sein 🙂

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